Der Fürst der Maler
Gelegenheit gehabt, nach dem Tod ihres Vaters mit Felice zu sprechen. Sie sah sehr blass aus, ihre Lippen waren zusammengepresst.
Eine Scheidung von ihrem verhassten Gemahl Gian Giordano Orsini war durch den Tod ihres päpstlichen Vaters in unerreichbare Ferne gerückt. Papst Leo, dessen Mutter eine Orsini war und der einen so unberechenbaren Condottiere wie Orsini an sich binden wollte, würde niemals seinen Dispens geben. Und Orsini selbst würde nicht um eine Auflösung der Ehe bitten. Er hielt meinen Sohn Girolamo für seinen Erben. Und seine Gemahlin Felice della Rovere war die Cousine des Herzogs von Urbino, und damit war Herzog Francesco ein möglicher Verbündeter gegen den Medici-Papst …
Felice und ich wechselten einen langen Blick.
Während des endlosen Rittes die Via Papalis entlang hatte ich Gelegenheit, die Triumphbögen aus Pappmaché und Holz, die Allegorien aus Marmorgips, die Papstwappen in den Farben der Medici und die im warmen Frühlingswind flatternden Flaggen aus bemalter Seide zu betrachten, die fast tausend Handwerker in den letzten Tagen gezimmert, geschnitzt, geleimt, gesägt und bemalt hatten. Wann war Rom zuletzt so schön gewesen?
Die Prozession kam immer wieder ins Stocken, als Papst Leo sein Pferd zügelte, um die gigantischen Triumphbögen zu betrachten, die in seinem Namen errichtet worden waren: Leo X. Pontifex Maximus! Die Römer und Florentiner am Straßenrand, die Venezianer, Sienesen und Genuesen, die aus ihren Vierteln zur Via Papalis herangedrängt waren, riefen den neuen Papst, den sie bereits in ihr Herz geschlossen hatten: »Papa Leone! Papa Leone!«
Von weitem sah ich, wie Giovannis Gesicht strahlte. Sein Glück – der Triumph der Medici – war perfekt.
Als der Papst und sein Gefolge endlich im Lateranpalast auf der anderen Seite der Ewigen Stadt ankamen, dämmerte es bereits. Die Straßen waren mit Tausenden von Fackeln festlich erleuchtet.
Die schismatischen Kardinäle des Konzils von Pisa waren nach Rom zurückgekehrt. Sie erwarteten Papst Leo vor dem Lateranpalast und erflehten auf Knien seine Gnade. In einer großartigen Geste verzieh ihnen Leo, nahm den Bann von ihren Schultern und lud sie an seine Tafel.
Im gleichen Atemzug forderte Papst Leo mit seiner wohltönenden Stimme die Herrscher Europas zu Solidarität und Frieden auf. Francesco Gonzaga nickte zustimmend, Alfonso d’Este senkte demütig den Kopf – er war der Anlass des letzten Krieges gewesen. Nur der Botschafter von Frankreich schien Papst Leos versöhnliche Worte wegen des lauten Krachens des Feuerwerks im abendlichen Himmel nicht gehört zu haben. Was glaubte er zu hören: Kanonendonner?
»Ich werde mit Francesco nach Urbino zurückkehren«, eröffnete mir Eleonora, als wir kurz vor der Morgendämmerung die Via Giulia hinunterritten.
Ich war nicht überrascht. Während des stundenlangen Festmahls im Lateranpalast hatte sie dem Protokoll entsprechend neben dem Herzog von Urbino gesessen. Francesco hatte unablässig auf sie eingeredet: während des zehngängigen Festmahls, während der Theateraufführung, während der anschließenden Tänze. Ich hatte die beiden beobachtet: Sie waren ein schönes Paar! Francesco war vom Barett bis zu den Stiefelspitzen ein mächtiger Herzog, selbstbewusst und stolz und doch gleichzeitig liebenswürdig und bezaubernd, und er gab sich wirklich Mühe, furchtbar verliebt in Eleonora zu sein. Wenn sie Nein gesagt hätte, wäre er wahrscheinlich vor ihr auf die Knie gefallen.
»Er hat versprochen, mich in Ruhe zu lassen. Sobald ich ihm einen Erben geschenkt habe«, sagte Eleonora. »Er hat mich an meine Verantwortung als Herzogin erinnert. Er hat sich mir bedingungslos unterworfen. Francesco hat Angst vor Papst Leo und befürchtet, Giuliano de’ Medici könnte der nächste Herzog von Urbino sein, wenn er nicht bald einen Erben hat. Einen kleinen della Rovere!«
Fast zwei Jahre lang hatten Eleonora und ich in meinem Palazzo zusammengelebt, als wären wir verheiratet. Sie hatte sich entschlossen, zu Francesco zurückzukehren, obwohl sie ihn nicht liebte. Ich starrte auf den Weg vor mir.
»Was sagst du dazu, Raffaello?«, fragte sie mich, als sie mein Schweigen nicht mehr ertrug.
»Nichts. Es ist deine Entscheidung.« Ich sah sie nicht an.
»Du bist päpstlicher Kammerherr, Raffaello. Du trägst nun die violette Soutane und irgendwann vielleicht sogar den Kardinalspurpur. Unsere Liebe hat keine Zukunft.«
»Du musst dich nicht rechtfertigen, Eleonora«,
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