Der Fürst der Maler
jahrzehntelangen Treue seit Lorenzos Tod und der Vertreibung der Medici aus Florenz zum Kardinal. Auch Tommaso Inghirami, der Leiter der vatikanischen Bibliothek und Giovannis Schatten, wurde Kardinal. Pietro Bembo, dessen Weg von Venedig nach Rom durch den Audienzsaal des Herzogs von Urbino verlaufen war, wurde für seine jahrelange Geduld belohnt: Er wurde zum Scriptor Brevium ernannt und erhielt eine schwarze Soutane überreicht. Er zwinkerte mir glücklich zu, als er zu seinem Platz in den Reihen der Würdenträger zurückkehrte.
»Monsignor Raffaello Santi!«, rief mich Papst Leo.
Francesco warf mir einen fragenden Blick zu, als ich vor den Papst trat.
Ich hatte keine Ahnung, was jetzt kommen sollte.
Ich betrat den langen Teppich und näherte mich dem Papstthron, vor dem ich dem Zeremoniell entsprechend auf die Knie fiel.
Paris de Grassis trat hinter mich. Er trug etwas über dem Arm.
Ich neigte den Kopf. »Heiliger Vater!«
»Wir ernennen dich zum päpstlichen Kammerherrn, Monsignor Santi. Du bist Unser Freund und Vertrauter und hast das Recht, jederzeit Zutritt zur päpstlichen Wohnung zu erhalten, ohne beim Zeremonienmeister um eine Audienz nachsuchen zu müssen. Außerdem bestätigen Wir dich in deiner Funktion als päpstlicher Hofmaler und stellvertretender Bauleiter von San Pietro. Wir verdoppeln dein Gehalt.«
Als ich mich erhob, legte mir Paris de Grassis die violette Soutane über die Schultern. Giovanni erhob sich von seinem Thron und half meiner verletzten Hand in den weiten Ärmel. Dann schloss er eigenhändig die Knöpfe der Soutane, während mir Paris die Mozzetta umlegte.
Giovanni schloss mich in die Arme und flüsterte: »Das Violett steht dir fast so gut wie der Purpur.«
»Hast du, als du festgestellt hast, dass dir die weiße Soutane passt, mit dem Purpur den Verstand abgelegt, Giovanni?«, flüsterte ich zurück.
Er lächelte, amüsiert über die Respektlosigkeit. »Nein, Raffaello mio, ich habe trotz der dünnen Luft hier oben, wo ich dem Himmel so nah bin, nicht vergessen, wer meine wirklichen Freunde sind.« Er deutete mit einer nachlässigen Bewegung über seine Verwandtschaft, die auf ähnliche Ehrungen wartete. Offensichtlich hielt er die meisten von ihnen für Blut saugende Parasiten. Aber er musste sie gewähren lassen, denn er brauchte sie zum Überleben wie die Luft zum Atmen.
Als ich mich umdrehte, um die Stufen wieder hinabzusteigen, konnte ich in der applaudierenden Menge Lucifers – Sebastiano Lucianis – verkniffenes Gesicht sehen. Er stand neben Michelangelo und starrte mich hasserfüllt an.
Und auch Francesco schien nicht besonders glücklich über meinen Schritt auf der Himmelsleiter der vatikanischen Karriere.
Papst Leo beendete die feierlichen Zeremonien auf seine liebenswert unkonventionelle Art. Von den Stufen des Throns rief er: »So, und nun werden Wir uns endlich ein bisschen amüsieren. Lasst Uns das Pontifikat genießen, da Gott es Uns verliehen hat!«
Der Sacro Possesso, die feierliche Prozession der Amtsübernahme des Papstes über ›seine Stadt‹ Rom, der vom Vatikan die Via Papalis entlang zum Lateranpalast führte und fast einen halben Tag dauerte, war eine gewaltige Inszenierung der päpstlichen Vorrangstellung über die Fürsten Italiens. Und der Welt.
Der Herzog von Ferrara, Alfonso d’Este, hielt demütig den päpstlichen Steigbügel, als Giovanni sich wie ein Feldherr vor der Schlacht in den Sattel schwang. Der Marchese von Mantua, Francesco Gonzaga, hatte die Zügel des Pferdes ergriffen, das Kardinal Giovanni de’ Medici während der Schlacht von Ravenna vor einem Jahr geritten hatte. Der Herzog von Urbino, Francesco della Rovere, stand untätig abseits. Ihm war nicht einmal eine derartige zeremonielle Aufgabe zugedacht worden. Sollte ihm bereits während des Possesso durch Rom das Gefühl vermittelt werden, überflüssig zu sein? Er war der Präfekt von Rom!
Papst Leo warf ihm vom Sattel aus sein Sphinxlächeln zu und ritt wortlos an ihm vorbei. Sein Bruder Giuliano, der neue Gonfaloniere, war direkt hinter ihm. Er nickte Francesco kurz zu, dann ritt auch er an ihm vorüber. Der Herzog von Urbino stand kurz vor der Explosion!
Energisch zog ich ihn am Ärmel zu den wartenden Pferden hinüber. Gemeinsam stiegen wir in die Sättel und reihten uns in die Prozession ein. Wir beide befanden uns nicht an den Plätzen, die uns rangmäßig zustanden.
Der Conte Orsini und die Contessa Felice ritten direkt hinter uns. Ich hatte noch keine
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