Der Fürst der Maler
Contessina de’ Medici war mit ihrem Gemahl Piero Ridolfi angereist, Lucrezia mit Jacopo Salviati. Giovannis Schwäger regierten zusammen mit seinem jungen Neffen Lorenzino Florenz. Und dann waren da noch die unzähligen Neffen: Innocente Cibò, Bernardo und Giovanni Salviati, Niccolò Ridolfi sowie Luigi de’ Rossi, die alle Kardinäle werden sollten, der junge Haudegen, den jeder nur als Giovanni delle Bande Nere kannte, und ein halbes Dutzend anderer ehrgeiziger junger Männer. Nachtschattengewächse der Macht, so würde Niccolò Machiavelli sie nennen.
Ich zwängte mich durch die Reihen der Würdenträger und trat zu Francesco. Seit der Herzog von Urbino in Rom war, hatte ich noch keine Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen oder ihm zum Tod seines Onkels Papst Julius zu kondolieren. Ich war zu sehr beschäftigt, mit Paris de Grassis zusammen den Possesso des neuen Papstes vorzubereiten.
Francesco legte mir einen Arm um die Schultern und begrüßte mich strahlend. »Raffaello! Wie schön, dich zu sehen! Ich habe dich bei den Begräbnisfeierlichkeiten meines Onkels Giuliano vermisst.«
Francesco und ich hatten uns seit dem Giftattentat auf Papst Julius nicht gesehen. Wir waren im erbitterten Streit auseinander gegangen – wegen Eleonora. Und nun reichte er mir die Hand zur Versöhnung. Warum?
Aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, dass Giovanni durch sein Augenglas vom Papstthron aus beobachtete, wie der Herzog von Urbino und ich uns freundschaftlich unterhielten. Giovanni war über meine Anwesenheit an Francescos Seite so ärgerlich, dass er die Huldigungen seiner Verwandten und der anwesenden Kardinäle und Bischöfe nur sehr ungeduldig entgegennahm.
Auch der Herzog von Urbino schien die schlechte Laune des Papstes zu bemerken. Er lächelte geheimnisvoll, als ob er Papst Leo provozieren wollte.
»Ich wäre gerne gekommen, aber ich war … verhindert«, gestand ich.
Papst Julius II . war am 21. Februar gestorben und einige Tage lang in der alten Basilika von San Pietro aufgebahrt gewesen, während ich in der Engelsburg meinem eigenen Ende entgegensah. Julius’ Begräbnis fand statt, als ich zwei Tage lang erschöpft in meinem Bett im Palazzo Santi schlief. Eleonora erzählte mir, ich sei nicht einmal aufgewacht, als ein lauter Kanonendonner von der Engelsburg verkündete, dass Papst Julius’ Grab geschlossen worden war.
Francesco deutete auf die Leinenschlinge und den Verband an meiner linken Hand. »Was ist dir passiert?«, fragte er besorgt. »Bist du in die Schlacht gezogen?«
»Ja, so könnte man es nennen«, lachte ich.
»Wie geht es Eleonora?« Er nickte hinüber zu seiner Gemahlin, die mit ihrem Vater Francesco Gonzaga, dem Marchese von Mantua, auf der anderen Seite der Basilika stand.
»Hervorragend«, sagte ich.
»Sie sieht glücklich aus«, gab Francesco zu. »Bitte richte meiner Gemahlin meine Grüße aus. Ich würde mich freuen, wenn sie nach Urbino zurückkehrt.«
Ich sah ihn überrascht an. »Was ist mit deiner Geliebten Clarissa?«
»Clarissa ist tot. Sie starb im Winter bei der Geburt unseres zweiten Sohnes.«
»Das tut mir Leid, Francesco.«
»Sag Eleonora, ich brauche einen Erben. Urbino braucht eine Herzogin. Eleonora kann von mir verlangen, was sie will. Aber sie soll nach Urbino zurückkommen.«
»Ich sage es ihr«, versprach ich.
»Ich will, dass auch du nach Urbino zurückkehrst, Raffaello.«
»Als was? Als dein Hofmaler? Als Eleonoras Geliebter?«
»Als mein Freund und Vertrauter, so wie früher. Als meine rechte Hand. Als Conte da Novilara!«
Ich lachte amüsiert und schwieg.
Francesco war verärgert, dass ich seinen Versuch, mich mit einer reichen Grafschaft zu bestechen, wortlos zurückwies. Und Giovanni, der uns noch immer durch sein Augenglas beobachtete, verzog die Lippen zu seinem Sphinxlächeln. Beruhigt, dass die Friedensverhandlungen zwischen Francesco und mir nicht mit dem Lorbeer des Erfolges gekrönt sein würden, fuhr er mit den Zeremonien der Investitur fort.
»Giovanni de’ Medici ist ein Kenner der lateinischen Klassiker«, flüsterte Francesco neben mir. Er hatte die Kardinalsinvestituren beobachtet, während wir geschwiegen hatten. »Der Papst versucht gerade, dem Wort ›Nepotismus‹ eine neue Dimension zu geben.«
Dio mio, Francesco, dachte ich amüsiert. Wie hast du denn vor wenigen Minuten versucht, mich nach Urbino zurückzulocken? Zum Conte wolltest du mich machen!
»Giovanni de’ Medici tut nichts anderes als die Signori Cibò, Borgia
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