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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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dichten Büschen am Flussufer zu verschwinden.
    »Haltet Euch an mir fest! Wenn Ihr stürzt, werden sie Euch töten!«, rief ich.
    »Dich doch auch!«, antwortete sie atemlos.
    Wir durchbrachen das dichte Gebüsch und sahen in einiger Entfernung vor uns den Arno. Ich riss das Pferd herum und galoppierte nach Norden.

    Die Sonne war untergegangen, und es wurde Nacht. Die Finsternis konnte unsere Rettung sein! Wenn wir uns so lange im Sattel halten könnten, bis es dunkel würde!
    Einen Arm um die Taille der Madonna geschlungen, beugte ich mich so tief wie möglich über den Sattel und gab meinem Pferd die Fersen.
    Tausendmal hatte ich mit Francesco dieses Spiel gespielt: Wir waren wilde Sarazenen und raubten unsere Geliebten – Strohgarben, die wir auf den Feldern vor Urbino vor uns in den Sattel rissen. Aber das hier war kein Spiel! Es war blutiger Ernst!
    Das Getrommel der Hufe und das Schnauben der Pferde kam immer näher! Die Schlachtrösser unserer Verfolger waren langsamer als mein Hengst, aber ausdauernder. Und sie hatten keine zweite Person zu tragen.
    Mehr als einmal zischte ein Pfeil aus einer Armbrust an meinem Kopf vorbei.
    Wir erreichten das Ufer des Arno. Zehn Ellen unter uns rauschte die reißende Strömung. Wiehernd scheute mein Hengst vor dem hohen Steilufer und dem brodelnden Inferno in der Tiefe. Es gab kein Entkommen! Vor uns der Fluss und die Chance des Überlebens – hinter uns der sichere Tod!
    Ich zerrte an den Zügeln, um zu wenden, und konnte schon die mordlüsternen Gesichter unserer Verfolger erkennen, die uns beinahe erreicht hatten. Mit einem genüsslichen Grinsen zogen sie ihre Degen und kamen auf uns zu.
    Erneut riss ich den Hengst herum und galoppierte auf das Steilufer zu. Ich drängte das scheuende, panisch wiehernde Pferd bis an den Rand des Felsens und drückte ihm die Absätze meiner Stiefel in die zitternden Flanken. Die junge Frau klammerte sich an mir fest. Sie hielt den Atem an.
    Ich ließ die Zügel los und gab dem zurückweichenden Pferd die Fersen. Es bäumte sich auf, und beinahe wären wir aus dem Sattel zu Boden gestürzt. Doch dann sprang es, und wir fielen etliche Ellen tief. Mit einem gewaltigen Sprung landeten wir in den Fluten des Arno.
    Prustend tauchten wir aus der silbrigen Gischt auf. Der Fluss war tief, und die schnelle Strömung riss uns mit sich fort, bis wir schließlich das andere Ufer erreichten. Erschöpft zogen wir uns an Land, stiegen in den Sattel und galoppierten den Arno entlang.
    Unsere Verfolger blieben hinter uns zurück. Ihre Pfeile konnten uns nicht erreichen. Und sie wagten den Sprung in den Arno nicht!

    Gegen Mitternacht war die junge Frau trotz der nassen Kleidung vor Erschöpfung im Sattel eingeschlafen. Ihr Kopf ruhte an meiner Schulter, ihre Arme hatten meine Hüften umschlungen. Ich genoss den Duft ihres Haares und die Bewegung ihres Körpers an meinem. Vorsichtig legte ich meinen Arm um ihre Taille und zog sie an mich.
    Sie erwachte und sah mich einen Augenblick lang verwirrt an. Dann erinnerte sie sich. »Ich bin dir sehr dankbar …«, begann sie. »Du hast mir das Leben gerettet. Meine Leibwache, die Pferdeknechte, meine Dienerin …« Den Satz ließ sie unvollendet.
    Als ich nicht antwortete, wandte sie mir ihr Gesicht zu. Das Gesicht eines Engels. Nein, viel schöner. Irdischer. Sinnlicher. Das Gesicht der Göttin Psyche, in deren Gestalt die Natur selbst sich erschöpfte, an deren Schönheit sogar Aphrodite verzweifelte. ›Jede Sprache war zu arm an Worten, sie zu loben‹, schrieb Lucius Apuleius in seinem Märchen von Amor und Psyche.
    Ihre goldenen Locken waren mit einer Ghirlanda und einem perlenbestickten Haarnetz nur mit Mühe gebändigt worden. Einige Strähnen hatten sich während des scharfen Rittes befreit und fielen über die Ohren und die im Mondlicht schimmernden Wangen. Der mit Hermelin verbrämte Ausschnitt ihres Kleides aus meerblauem Atlas war tief und durch den zarten Schleier kaum verhüllt, und mein Blick streichelte ihre wohlgeformten Brüste.
    Als sie sich umdrehte, musste sie meine Erregung bemerkt haben, denn sofort änderte sie ihre Haltung vor mir im Sattel. »Mein Name ist Felice della Rovere, aber mein Vater nennt mich ›die Contessina‹.«
    »Ich bin Raffaello Santi aus Urbino.« Ich stutzte. »Della Rovere? Seid Ihr verwandt mit Francesco della Rovere, dem Neffen des Herzogs von Urbino?«
    »Du kennst Francesco?«, fragte sie erstaunt.
    »Er ist mein bester Freund.«
    »Francesco ist mein

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