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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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hineinzuhorchen, einen bis zur Undenkbarkeit gedachten Gedanken zu verwerfen, und eine neue Idee auf ihre Brauchbarkeit zu prüfen.
    Ich nahm auf einem Stuhl Platz und beobachtete ihn eine Weile. »Welches Problem quält dich?«, fragte ich schließlich.
    Er schreckte auf und nahm die Oculi von der Nase. »Ein mathematisches Problem! Die Quadratur des Kreises. Ich versuche, mit Zirkel und Lineal einen Kreis in ein flächengleiches Quadrat zu überführen. Seiten über Seiten meines Buches habe ich mit geometrischen Diagrammen gefüllt. Ich weiß nicht mehr weiter.« Mit der rechten Hand rieb er sich die müden Augen.
    »Daran ist selbst Archimedes gescheitert«, erinnerte ich ihn.
    Leonardo steckte die Feder mit einer fahrigen Bewegung ins Tintenfass. »Noch ein unvollendetes Werk von mir! Sag mir, ob ich jemals etwas angefangen habe, das ich zu Ende gebracht habe. Sag mir, ob es überhaupt etwas auf der Welt gibt, das vollendet werden kann«, rief er verzweifelt aus.
    »Die Quadratur des Kreises ist unmöglich! Das ist doch kein mathematisches Problem! Das Quadrat ist das Zeichen der materiellen Welt, der Kreis das Symbol für den Himmel, das Göttliche. Du versuchst, Gott auf die Maße der Welt zu reduzieren.«
    Leonardo riss das mit Wachs an der Wand befestigte Proportionsschema des Menschen ab, um es mir vorzuhalten. Es stammte aus seinem im Jahr 1489 begonnenen Traktat Von der menschlichen Figur, das er, wie alles andere, niemals vollendet hatte. »Sieh den Menschen: homo ad circulum et homo ad quadratum «, sagte er und deutete auf die beiden übereinander liegenden Figuren mit weit abgespreizten Armen in Kreis und Quadrat. »Der Mensch passt in beide Welten! Die physische und die metaphysische.«
    »Der Mensch mit ausgestreckten Armen und Beinen, der gekreuzigte Mensch also, passt in beide Welten. Du hast vergessen, das Kreuz zu skizzieren, das den Menschen zu Gott erhebt.«
    »Ich glaube nicht an die Erlösung des Menschen durch ein antikes römisches Folterinstrument«, offenbarte Leonardo.
    »Lass das nicht die Inquisition hören, sonst wirst du an deine Erlösung durch ein modernes römisches Folterinstrument wie den Scheiterhaufen glauben müssen«, konterte ich.
    »Wir stehen beide mit einem Fuß im Fegefeuer, Raffaello! Genau wie Fra Bartolomeo. Er hat mir eine Nachricht gesandt, dass heute Nacht eine weitere Leiche in der Kammer liegen wird …«

    Kurz nach Sonnenaufgang stieg ich die Stufen des Palazzo Taddei hinauf. Ich war todmüde – und zuckte bei diesem furchtbaren Wort nicht einmal mehr zusammen. Drei Nächte hintereinander hatte ich keinen Schlaf gefunden. Ich hatte nur noch ein Ziel: die Badewanne und dann ein paar Stunden Schlaf.
    Wir hatten in dieser wie in der vorigen Nacht einen weiteren Körper seziert. Leonardo hatte Fra Bartolomeo und mir die Funktionsweise der Muskeln in Armen und Beinen erklärt: »Damit ihr keine Säcke voller Nüsse malt, sondern Menschen!«
    Taddeo und Baccio saßen in Taddeos Studierzimmer, als ich eintrat. Ein Stadtplan von Florenz war vor ihnen auf dem Schreibtisch ausgebreitet. Ein Diener hatte mich auf meinem Weg zu meinem Zimmer abgefangen und ins Studiolo geführt.
    Taddeo erhob sich und kam mir entgegen, um mich zu umarmen: » Grazie a Dio! Du lebst, Raffaello! Wo hast du bloß die letzten Tage gesteckt? Wir haben dich gesucht!«
    »Niccolò hat den Capitano der Stadtwache aus dem Bett geworfen«, warf Baccio ein. »Mehr als zweihundert Bewaffnete haben dich gesucht. Sie haben alle Bordelle und Klöster durchsucht, alle Maskierten in den Straßen demaskiert, alle Bettler nach dir befragt, aber du warst unauffindbar. Niccolò ist für die Sicherheit in der Stadt verantwortlich.«
    Jetzt erst erkannte ich Niccolò Machiavelli, der neben dem Fenster gestanden hatte. »Wir dachten, wir würden dich tot aus dem Arno fischen. Ich bin froh, dass du mit einer Leiche nur eines gemeinsam hast: den unerträglichen Gestank. Nachts sind die Straßen von Florenz gefährlich. Bist du überfallen worden? Hat man dich niedergeschlagen und in der Gosse liegen gelassen?«
    »Nein, Niccolò, mir geht es gut«, beruhigte ich ihn.
    »Dein Gesicht sieht aus, als wärst du geschlagen worden.«
    »Michelangelo hat mich mit einem seiner Marmorblöcke verwechselt«, gestand ich.
    »Du warst bei ihm?«, fragte Niccolò überrascht.
    »Ja. Nein. Ich war nur eine Stunde bei ihm. Das war …« Ich überlegte, »… das war vor zwei Tagen. Ich war mit Leonardo unterwegs …«
    Ich ließ

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