Der Fürst der Maler
bestellt«, erklärte ich. »Taddeo ist unschuldig.«
Orsini schwieg überrascht. Taddeos Blick irrte zwischen mir und dem Bild hin und her. Auf Michelangelos Stirn bildete sich eine tiefe Falte.
»Für wen hat sie das Bild bestellt?«, fauchte Orsini.
Michelangelo hatte sich nun ebenfalls erhoben. Sein Blick verhakte sich in meinem.
Was hatte er vor? Er wusste, dass ich Felice liebte. Ich hatte es ihm selbst gesagt. Wollte er mich verraten? Wenn ich mir den ungezügelten Zorn des Conte Orsini zuzog, würde ich in Florenz keinen Auftrag für ein Bild erhalten. Niemals. Ich würde in das Loch zurückkriechen müssen, aus dem ich gekommen war.
Ein leises Lächeln wehte über Michelangelos Lippen. Wollte er Rache dafür, dass er mir seine Zuneigung anvertraut und ich ihn zurückgewiesen hatte?
»Für mich, Euer Gnaden«, gestand Michelangelo leise. »Raffaello malt das Bild für mich.«
Orsini fuhr herum und betrachtete Michelangelo abschätzig wie eine verhauene Marmorstatue. »Für dich ?«
»Die Contessa hatte sich bei ihrem Besuch in meiner Werkstatt darüber beschwert, dass ich nur Männer meißele. Sie meinte, ich wüsste nicht, wie eine Frau aussieht …« Michelangelo trotzte Orsini, die Schultern angespannt, die Fäuste geballt.
Orsini ließ sich auf seinen Stuhl fallen und kippte ein Glas Wein hinunter. »Du bist ein Invertido !«, sagte er in einem Tonfall, der beleidigen sollte.
Michelangelo zitterte, als würde ein Eimer eiskalten Wassers über ihm ausgekippt. »Ja, ich liebe einen Mann !«
Michelangelo und ich fühlten die Blicke der anderen auf uns gerichtet. Neugierige Blicke, ungläubige Blicke. Leonardo starrte auf seine gefalteten Hände, Pietro sah mich mit offenem Mund an. Taddeos Lippen zuckten. Keiner von ihnen hatte mit Michelangelos Ausbruch gerechnet.
Plötzlich wandte sich Michelangelo um. Seine Bewegung war so unbeherrscht, dass er seinen Stuhl umstieß. Mit langen Schritten flüchtete er zur Tür.
Ich folgte ihm.
Auf dem Gang holte ich ihn ein, ergriff seinen Arm: »Warte!«
Er blieb stehen, den Rücken mir zugewandt.
»Du hättest mich vernichten können. Warum hast du das getan?«, fragte ich.
Er drehte sich zu mir um. »Weil du es wert bist, mein Erlöser!«
Gian Giordano Orsini reiste am nächsten Morgen zurück nach Rom. In seinem Gepäck befand sich ein Geschenk von mir an Felice, eine wertvolle Ausgabe von Francesco Petrarcas Sonette an Madonna Laura. Wertvoll, weil es eine gedruckte Ausgabe war. Wertvoll, weil Worte mit einem feinen Silberstift unterstrichen waren. Viele Worte, aber keine Namen. Ich hoffte, dass Felice meine Nachricht verstehen und entsprechend handeln würde, um das Attentat auf ihren Vater zu vereiteln und um den Herzog von Urbino und ihren Cousin Francesco zu warnen. Doch der Oktober verging ohne eine Antwort von ihr.
Ich nahm nun regelmäßig an den abendlichen Treffen in Baccios Werkstatt teil. Giuliano und Antonio da Sangallo, Andrea Sansovino, Baccio d’Angelo, Sandro Botticelli, Niccolò Machiavelli, Fra Bartolomeo und ich versuchten die Welt zu verbessern und erschufen sie neu. An manchen Abenden las uns Niccolò aus seinen Werken vor. Ein anderes Mal erklärte uns Leonardo das Prinzip seines Ornitottero, seiner fantastischen Flugmaschine, die er auf einem Berg bei Fiesole ausprobieren wollte.
Im November war ein junger Mann namens Nikolaus Kopernik zu Gast in Baccios Bottega. Er hatte in Krakau und Rom Medizin, Mathematik und Astronomie studiert, war dann nach Padua und Bologna gegangen, um seine Kenntnisse der Rechte zu vervollständigen. Nikolaus war ein guter Zeichner. Aber vor allem diskutierten wir über seine revolutionäre Theorie, dass die Sonne und nicht die Erde der Mittelpunkt des Universums war. Masaccio hatte den Menschen aus dem dimensionslosen Paradies der Blattgoldmalerei vertrieben und ihm eine Perspektive gegeben, Nikolaus Kopernik drängte ihn von der Mitte der Welt an ihren Rand. Noch weiter entfernt von Gott. Leonardo war von Nikolaus’ Berechnungen der Planetenbahnen ebenso fasziniert wie der Astronom von Leonardos Flugmaschine.
Michelangelo und ich hielten Sicherheitsabstand. Wir gingen uns aus dem Weg. Keiner von uns konnte und wollte die Anwesenheit des anderen ertragen. Wenn wir uns in Baccios Werkstatt oder auf den Straßen von Florenz trafen, schwiegen wir uns an. Er spürte wie ich, dass das Gerücht über unsere Beziehung durch die Straßen von Florenz geweht war.
Pietro Perugino dagegen kam uns beiden
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