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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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zu dem verhüllten Bild auf der Staffelei hinüber.
    Leonardo legte mir beruhigend die Hand auf den Arm. Eine Geste, die Michelangelo nicht entging. Mit einer tiefen Falte auf der Stirn beobachtete er mich, während er das Brot methodisch in kleine Stücke riss, um die Sauce auf seinem Teller aufzutunken.
    Taddeo eröffnete das Tischgespräch, indem er Niccolò Machiavelli ein Zitat aus Giovanni Boccaccios Decamerone zuwarf, das dieser aufgriff und schlagfertig zurückspielte wie einen Ball beim Calcio-Spiel. Gian Giordano Orsini beteiligte sich an dem Disput über die Trinità der italienischen Dichter Dante Alighieri, Francesco Petrarca und Giovanni Boccaccio. Und über die drei Frauen, die sie verehrten: Beatrice, Laura und Fiammetta.
    Während der zweite Gang aufgetragen wurde, griff Sandro Botticelli das Stichwort Bellezza auf und schwärmte von der Schönheit seiner Jugendliebe Simonetta Vespucci, der Geliebten Lorenzo de’ Medicis. Simonetta war in allen seinen Werken zu sehen: Sie war das verspielte Mädchen, die laszive Venus, die göttliche Madonna seiner Gemälde.
    Die Musiker spielten Nymphes des Bois, ein Stück von Josquin Desprez, und als die silbernen Schalen mit Marzipankonfekt, kandierten Nüssen und Früchten aufgetragen worden waren, gab Taddeo mir ein Zeichen, das Gemälde zu enthüllen.
    Feuer und Eis rann durch meine Adern. Gleichzeitig! Ich war unfähig, mich zu erheben. Oder auch nur ein Wort zu sagen.
    Dann stand Taddeo mit einem Stirnrunzeln selbst auf, ging um den Tisch herum und stellte sich vor die Staffelei. Schwungvoll zog er das Tuch vom Gemälde und trat einen Schritt zurück. Bleich ließ er sich auf einen Stuhl fallen.
    Orsinis Gesicht dagegen lief beim Anblick der nackten Felice glutrot an wie der Himmel über dem Vesuv kurz vor einem Ausbruch. Seine hitzigen Gedanken strömten über sein Gesicht wie die glühende Lava über die Hänge des Vulkans:
    War Felice Taddeos Geliebte gewesen, bevor dieser sie in Orsinis Bett schickte? Wessen Idee war das Ehebündnis zwischen den Orsini und den della Rovere gewesen?
    Die Musik verstummte mit einem gequälten Ton der Viola. Die plötzliche Stille war ohrenbetäubend.
    Niccolò Machiavelli und Andrea Sansovino konnten ihre Blicke nicht von dem Bild wenden, während Pietro Perugino mit offenem Mund dasaß. Michelangelo würdigte das Gemälde keines Blickes. Er starrte mich an.
    Orsini erhob sich so ruckartig von seinem Stuhl, dass dieser mit einem lauten Knall umkippte.
    Taddeo saß noch immer vor dem Bild. Bleich, ohnmächtig, nicht fähig, seinen Blick abzuwenden.
    »Taddeo!«, donnerte Orsinis Stimme wie ein Gewitter durch den Salone. »Kannst du mir das erklären?«
    Taddeo schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Gian. Ich wusste nicht …«
    »Sie war deine Geliebte, bevor du sie zu mir geschickt hast!«, brüllte Orsini. »Warum sonst hast du sie nackt malen lassen?«
    Baccio erhob sich und trat zwischen Orsini und Taddeo. Die Eifersucht funkelte in seinen eisblauen Augen. »Hast du mit ihr geschlafen, Taddeo?«, fragte er leise.
    Taddeo schüttelte wieder nur mit dem Kopf.
    »Du Verräter!«, brüllte der Conte. »Es war deine Idee gewesen! Du hast alles geplant! Aber es ging dir nie um die Macht der della Rovere, sondern um die der Orsini! Es geht um mich!«
    Offensichtlich nahm Gian Giordano Orsini an, dass Taddeo den Sturz des Papstes sowie die Ermordung des Herzogs von Urbino nur inszenieren wollte, um die Macht der Orsini in Rom zu brechen. Dass er in Wahrheit nicht Papst Julius stürzen, sondern seine eigene Macht in Rom festigen wollte. Als Bankier des Papstes. Als reichster und mächtigster Mann Italiens.
    Niccolò Machiavelli war aufgesprungen und fiel Orsini in den Arm, als er sich auf Taddeo stürzen wollte.
    Ich erhob mich ebenfalls.
    »Was willst du?«, fauchte Orsini mich an.
    »Mich für das Missverständnis entschuldigen«, erklärte ich.
    Taddeo hob eine Augenbraue und beobachtete mich. Seine Hände hatten die Armlehnen seines Stuhls umklammert wie ein Ertrinkender die Planken seines sinkenden Schiffes.
    »Taddeo ist nicht der Auftraggeber des Bildes«, sagte ich.
    »Ach nein?«, fragte Orsini mit einer Stimme wie reißendes Papier.
    Vergib mir, Felice, dass ich dich dem ungezügelten Zorn deines Gemahls aussetzte! Aber ich hatte keine andere Wahl. Felice war ohnehin in Lebensgefahr, wenn Orsini seine Pläne der Vernichtung der della Rovere in die blutige Tat umsetzte.
    »Die Contessa Orsini hat das Bild selbst bei mir

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