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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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die Pazzi und die Pitti sind gegen ihn. Innerhalb weniger Wochen würde der arrogante Medici-Clan erneut aus Florenz vertrieben werden. Dieses Mal endgültig! Niccolò Machiavelli wird nach dem Sturz von Piero Soderini der neue Gonfaloniere von Florenz. Er wird mit harter Hand durchgreifen. Signor Taddeo geht nach Siena, um dort für Ordnung zu sorgen und die Chigi in Schach zu halten.«
    »Und ich?«, fragte Cesare de’ Pazzi.
    »Ihr werdet Lucca für mich regieren«, versicherte ihm Orsini.
    »Und was ist mit deiner Gemahlin, Gian? Felice ist eine della Rovere«, wandte Taddeo nachdenklich ein.
    »Wenn ich Herzog bin, werde ich eine d’Este aus Ferrara heiraten, Taddeo. Oder eine Gonzaga aus Mantua. Felice spielt dann keine Rolle mehr in diesem Spiel«, verriet Orsini kalt.
    »Das ist ja das reinste Massaker!«, begehrte Angelo Doni auf. »Erst Papst Julius, dann der Herzog von Urbino, Francesco della Rovere und sogar Eure eigene Gemahlin!«
    »Setz dich wieder hin, Angelo«, befahl Giovanni Strozzi. »Ich habe deiner Ehe mit meiner Tochter Maddalena zugestimmt, weil ich dich für einen ehrgeizigen jungen Mann hielt. Wenn du jetzt aufstehst und diesen Raum verlässt, bist du ein Verräter. Ich dulde keinen Judas in meiner Familie.«
    »Wenn unser Plan gelingt, haben wir mehr zu gewinnen, als Cesare Borgia in all seinen Feldzügen in der Romagna gewonnen hat. Wir werden Rom, Urbino, Siena, Lucca und Florenz zu einem souveränen Staat unter dem Banner der Orsini machen! Und dann werden wir unsere Unabhängigkeit vom Patrimonium Petri erklären. Weder die Franzosen in Mailand noch die Spanier in Neapel könnten sich mit uns militärisch anlegen. Auch Papst Julius nicht. Nicht einmal die Venezianer verfügen über eine solche Handelsmacht.«
    Genug gehört! Ich flüchtete in mein Zimmer, um nachzudenken.
    Was sollte ich tun? Wem galt meine Loyalität? Den della Rovere, die mich seit Jahren als ein Mitglied der Familie betrachteten? Meiner Vergangenheit? Oder Taddeo und seinen Freunden? Den reichsten Bankherren und Kaufleuten von Florenz und den mächtigsten Kardinälen in Rom? Meiner Zukunft? Tertium non datur – ein Drittes gibt es nicht. Oder doch?
    Unruhig lief ich in meinem Zimmer auf und ab.
    Auf dem Tisch lag das Buch, das Felice mir geschickt hatte: Dante Alighieris Divina Commedia. Ich lachte gequält. ›Ist unser Leben nicht eine Göttliche Komödie?‹, hatte sie geschrieben. Nichts weiter, kein Brief, keine Nachricht! Welch eine Ironie der Contessa Orsini, mir gerade dieses Buch zu schenken! Hatte ich nicht gerade erst meinen Weg durch das Inferno begonnen?
    Ich öffnete den Band und las die ersten Zeilen: ›In der Mitte unserer Lebensreise befand ich mich in einem dunklen Wald, weil ich den rechten Weg verloren hatte. Wie er gewesen, wäre schwer zu sagen …‹
    Zwei Seiten weiter war ein Wort mit einem feinen Silberstift unterstrichen: ›Geliebter‹. Ich stutzte. War der Strich eine feine Hilfslinie für den Kopisten der Handschrift? Oder war er eine Markierung? Auf der nächsten Seite waren zwei Worte unterstrichen: ›jeden Tag‹. Mit zitternden Händen blätterte ich weiter. Im zweiten Gesang des Inferno fand ich die Worte: ›denke ich an‹. Eine geheime Nachricht meiner geliebten Felice! Woran dachte sie? Ich blätterte so schnell durch das Buch, dass ich beinahe die kostbaren Seiten der Handschrift zerrissen hätte. Der dritte Gesang enthielt keine weitere Markierung. Ich suchte nach einem ›dich‹. Aber ich fand keines.
    Ich blätterte einige Seiten zurück und setzte meine Suche langsamer fort. Wie hatte ich nur annehmen können, dass sie jeden Tag an mich dachte? Die Klöster der Franziskaner und Karmeliter waren berühmt für ihre geistliche Ausbildung junger Mädchen – und berüchtigt für die so genannten ›naturwissenschaftlichen Lehrstunden‹ nach dem letzten Abendgebet hinter verriegelten Zellentüren! Ich war sicher nicht ihr einziger Geliebter in Florenz gewesen! Hatte sie sich mir aus Dankbarkeit hingegeben, weil ich ihr das Leben gerettet hatte? Ich wollte das Buch schon zuklappen, als ich weitere unterstrichene Worte fand: ›die wenigen Stunden‹.
    Ich zog Pergament, Tintenfass und Feder zu mir heran und begann, die Nachricht aus der Divina Commedia niederzuschreiben:
    »Geliebter! Jeden Tag denke ich an die wenigen Stunden, in denen wir uns einander schenkten. Jede Nacht verzehre ich mich nach den Berührungen deiner Hände, deiner Lippen. Ich liebe dich jeden Tag

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