Der Fürst der Maler
zu und hob hilflos die Arme. Ich winkte zurück und ließ mich weiter treiben. Wir waren an der Paradiespforte der Taufkapelle verabredet. Bartolomeo war nicht zu sehen, obwohl sein schwarzweißes Dominikanergewand normalerweise so viel Aufsehen erregte wie das Schimmern eines Goldfischs im Forellenteich. Dafür sah ich Leonardo mit Sandro Botticelli am Altar stehen.
Leonardo hatte in diesem Jahr die Colombina, die weiße Taube aus Pappmaché, gebastelt. Es hatte ihm ein unglaubliches Vergnügen gemacht, sie nach den verbesserten Plänen seines Ornitottero zu konstruieren. Die Colombina wäre sicherlich auch ohne das gespannte Drahtseil geflogen …
Leonardo hängte die Papiertaube an die Seilkonstruktion und ließ sie zur Probe drei Ellen weit fliegen. Sandro zog sie zurück zum Altar. In der Hand hielt er die Altarkerze, mit der er die Colombina anzünden würde.
Die Taube würde bis zum Wagen fliegen. Sie würde das Feuerwerk entzünden. Leonardo hatte im Bauch der Taube eine Glasphiole mit Naphtha versteckt. Bei der Landung der Colombina auf dem Wagen würde das Glas zerbrechen und das brennende Öl über die Feuerwerksraketen verspritzt. Leonardo gab dem Zufall keine Chance.
Das Drängeln und Stoßen im Domportal wurde immer aggressiver. Die Menschen wollten hinaus auf den Domplatz, um den Flug der Taube und das Feuerwerk zu sehen. Und die Zuschauer auf der Piazza wollten möglichst nah am Wagen stehen, um von den Funken aus dem Himmel gesegnet zu werden. Der Platz war hoffnungslos überfüllt, die Menschen drängten sich bis in die Tornischen der Palazzi um San Giovanni.
Als ich endlich das Freie erreichte, atmete ich tief durch.
In diesem Augenblick sah ich sie.
Eleonora trug einen weiten Umhang, und obwohl ihr Gesicht maskiert war, erkannte ich sie im Schein der Fackeln sofort. Sie saß auf einer Bank an der Marmorfassade des Domes unterhalb der Statue des Evangelisten Johannes und schien auf jemanden zu warten. Ihr suchender Blick irrte zwischen den Zuschauern umher.
Ich winkte ihr, doch sie sah mich nicht. Ich wollte zu ihr hinübergehen, doch dann zögerte ich.
Ein hoch gewachsener, fülliger Mann in einem nachtschwarzen Mantel war zu ihr getreten. Auch er trug eine Maske. Sie ergriff seine Hand nach französischer Sitte, doch dann führte sie sie an ihre Lippen und küsste sie. Der Mann lächelte und sagte etwas. Sie schüttelte den Kopf.
Was ging da vor? Wer war der Maskierte?
In diesem Augenblick flog die Colombina. Leonardos brennende Papiertaube schoss durch das Portal des Domes durch den nächtlichen Himmel und landete zischend und fauchend auf dem Wagen mit den Feuerwerkskörpern. Eleonora und der geheimnisvolle Fremde unterhielten sich noch immer, und der Inhalt ihres Gespräches schien interessanter als der Höhepunkt der Osterfeier auf der Piazza. Keiner von beiden hatte einen Blick für die weiße Taube.
Niccolò Machiavelli tauchte aus der Menge auf wie Theseus aus dem Labyrinth des Minotauros. »Hast du Leonardos Colombina gesehen? Sie war mit weißen Federn beklebt, und die Flügel haben während des Fluges geschlagen wie die einer lebendigen Taube! Fantastisch!«, rief er begeistert.
Ich antwortete nicht.
Niccolò folgte meinem Blick. Er kniff die Augen zusammen, als würde er nicht glauben, was er sah. Das Lächeln erfror auf seinen Lippen. »Das ist doch …«
»Eleonora Gonzaga«, ergänzte ich.
Niccolò ignorierte mich und starrte in dieselbe Richtung wie ich. »Ist er denn verrückt geworden, nach Florenz zu kommen …?« Mit diesen Worten ließ er mich stehen und verschwand in der Menge.
Offensichtlich hatte Niccolò den Fremden erkannt!
In diesem Augenblick hatte die brennende Taube das Feuerwerk auf dem Wagen entzündet. Die erste Rakete zischte in den Sternenhimmel hinauf und zog wie ein Komet ihre Bahn, bevor sie mit einem lauten Knall in rot glühenden Lichtfunken zerbarst. Zwei weitere folgten. Die Menge hielt den Atem an. Dann stand der ganze Wagen in Flammen, und mehr als zwei Dutzend Feuerwerkskörper stiegen gleichzeitig mit einem infernalischen Stakkato in die Höhe, um am Nachthimmel wie Blumen in Rubinrot und Indischgelb zu erblühen.
Die Menschen drängten zum brennenden Wagen, um im glücksverheißenden Funkenregen zu stehen. Ihre Gesichter glühten in smaragdfarbenem Licht. Tiefschwarze Schatten huschten über die Piazza, gefolgt von neuen Lichtkaskaden aus dem Himmel. Die Luft war erfüllt vom beißenden Schwefelrauch und vom Donnerhall der
Weitere Kostenlose Bücher