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Der Fürst der Maler

Der Fürst der Maler

Titel: Der Fürst der Maler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Alternative schied aus, weil ich auf der Treppe hinter mir Schritte hörte. Zwei Personen stiegen die Treppe hinauf. Ein paar Stufen noch, und sie würden mich sehen. Ich hatte keine Zeit mehr, in der Cappella dei Magi am Ende der Treppe zu verschwinden.
    Angelo Doni, Taddeos Freund und Mitverschwörer beim Attentat auf die Familie della Rovere, und seine Gemahlin Maddalena kamen die Treppe hoch. »Raffaello!« Angelo schien nicht im Geringsten überrascht, mich im Palazzo Medici zu treffen, und legte mir den Arm um die Schulter, als wären wir alte Freunde. »War das nicht ein fantastisches Feuerwerk?«
    Seit ich in den letzten Wochen zweimal seine Aufträge für Porträts von ihm und Maddalena abgelehnt hatte, fühlte Angelo sich genötigt, mich jeden Sonntag nach der Messe zum Essen einzuladen.
    Nachdem er sich wegen eines Madonnenbildes mit seinem Freund Michelangelo angelegt hatte, hoffte er, mich mit Taubenpastete und sündhaft teuren Süßspeisen überreden zu können. Michelangelo hatte für seine Madonna in Temperafarben siebzig Fiorini verlangt. Angelo, der nicht nur durch göttliche Fügung, sondern vor allem durch seine Sparsamkeit einer der reichsten Kaufleute von Florenz war, erschrak, dass er so viel für ein Bild seines Freundes zahlen sollte, obwohl er wusste, dass das Gemälde viel mehr wert war. Er schickte Michelangelo vierzig Fiorini, die dieser zornig wieder zurücksandte, mit einer neuen Forderung über einhundert Fiorini. Als sich Angelo schließlich murrend bereit erklärte, die ursprünglich vereinbarten siebzig Fiorini zu zahlen, hatte Michelangelo den Preis bereits auf einhundertvierzig Goldstücke erhöht. Angelo musste sich am Ende in sein Schicksal ergeben und das Doppelte für die Madonna zahlen.
    »Nächstes Jahr musst du die Colombina basteln, Raffaello!« Maddalena lächelte mich auf verbotene Weise an, was Angelo nicht wahrzunehmen schien. Genauso wenig wie die verführerischen Blicke, die sie mir jeden Sonntag zuwarf.
    Gemeinsam betraten wir den von nur wenigen Kerzen erleuchteten Saal. Die Innenläden der hohen Fenster waren fest verschlossen, sodass kein Lichtschimmer nach draußen auf das Kopfsteinpflaster der Via Larga fiel. Im vergoldeten Zwielicht erkannte ich den Fremden, der seine Maske abgenommen hatte. Er hatte eine Gruppe junger Männer in ein Gespräch verwickelt und beobachtete mich, wie ich unschlüssig in der Tür stehen blieb.
    Er nahm zwei Weingläser von einem Silbertablett und kam langsam zu mir herüber. Er reichte mir eines der Gläser. »Ich heiße Giovanni«, stellte er sich vor.
    Giovanni war so groß wie ich, aber fülliger. Der Stoff seiner eleganten schwarzen Seidenjacke spannte über dem Bauch. Er war acht oder neun Jahre älter als ich. Auf dem Kopf trug er eine schwarze Kappe, die eine Tonsur verdecken sollte. Er betrachtete mich blinzelnd durch ein geschliffenes Augenglas, das er mit der linken Hand vor sein Gesicht hielt. Er schien weitsichtig zu sein.
    »Ich bin Raffaello«, stellte ich mich vor.
    »Du bist mit Angelo Doni gekommen.« Seine sinnlichen Lippen verzogen sich zu jenem rätselhaften Lächeln einer Sphinx, das seine Freunde und Feinde so maßlos verwirren konnte. Im Gegensatz zur Sphinx schien er keine Antwort zu erwarten.
    Ich trank durstig das Weinglas leer. Der Chianti war von ausgezeichneter Qualität.
    »Ich kann mich nicht erinnern, deinen Namen auf der Liste der geladenen Gäste gesehen zu haben«, fuhr Giovanni fort.
    Ich lächelte ihn freundlich an. »Die besten Feiern sind die, zu denen man nicht eingeladen ist.«
    Er lachte herzlich. » È vero – das ist wahr! Ich bin – wenn man es genau betrachtet – auch ungebeten hier.« Er sprach nicht weiter, weil ich ihm nicht zuhörte. Ich beobachtete Eleonora am anderen Ende des Saals, Giovanni beobachtete mich. »Du kennst die Tochter des Marchese von Mantua?«, fragte er.
    »Mhm«, murmelte ich in das Weinglas hinein, das ein Diener aufgefüllt hatte.
    »Bist du ihr Geliebter?«, fragte er mit einer entwaffnenden Direktheit.
    »Derzeit nicht«, gestand ich. »Und du?«
    Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Man muss Opfer bringen, wenn man Papst werden will. Du brauchst mich also heute Nacht nicht weiter zu beschatten.«
    »Ich habe …?«, begann ich.
    »Du bist uns vom Dom bis hierher gefolgt. Ich bin im Vatikan aufgewachsen, seit ich sechzehn Jahre alt war. Dort lernt man die Kunst des Überlebens. Man meidet die Schatten, weicht den Dolchen der Borgia aus und schläft bei

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