Der Fürst der Maler
explodierenden Raketen.
Ich wurde von Eleonora und dem Maskierten weggeschoben. Als ich mich durch die Reihen der Menschen zwängte, um zu ihnen zu gelangen, waren sie verschwunden.
Ein seltsam fremdes Gefühl stieg in mir auf: Eifersucht.
Ich war noch nie eifersüchtig gewesen! Nicht, als Pietros Tochter Violetta meinem Freund Bastiano da Sangallo geholfen hatte, seine anatomischen Kenntnisse zu vervollkommnen: Die beiden hatten sich nicht einmal eine Armeslänge von mir entfernt auf dem Boden der Bottega vergnügt. Nicht, als Clarissa zwischen Francescos Laken gekrochen war, als sie mich in meinem Bett nicht fand: Sie war immer noch seine Geliebte.
Wie verschwenderisch ich all die Jahre mit meiner Liebe umgegangen war! Und wie viel Liebe mir geschenkt worden war von Fioretta, Clarissa und Violetta! Sie selbst hatten sich mir geschenkt: mit Leib und Seele. Aber ich hatte sie nicht besessen, keinen Augenblick lang. Und sie mich auch nicht …
Durch die wogende Menge schwamm ich in Richtung der Via Larga.
Bastiano da Sangallo tauchte neben mir auf. »Wohin willst du?«, fragte er und zog mich am Ärmel. »Die Signori Taddei und Machiavelli sind dort drüben auf der Ehrentribüne des Gonfaloniere. Wir wollen nachher noch durch die Straßen ziehen und ein bisschen Spaß haben …« Er setzte seine Maske auf.
»Ich gehe schlafen«, kündigte ich an.
»Allein?«, fragte Bastiano ungläubig. Es schien für ihn undenkbar, in einer ausgelassenen Nacht wie dieser allein zwischen die Laken zu kriechen.
»Ich bin müde. Ich habe den ganzen Tag gemalt.« Nicht ohne Grund ließ ich die Tatsache unerwähnt, dass ich auch in den letzten beiden Nächten im Licht flackernder Kerzen an Taddeos Madonna gearbeitet hatte.
»Wann hast du zuletzt gelebt ?«, fragte Bastiano.
»Ich kann mich nicht mehr erinnern …«, sagte ich und machte mich auf den Weg.
Bastiano blieb kopfschüttelnd hinter mir zurück.
Ich ging am Laden des Krapfenbäckers neben dem Palazzo della Misericordia vorbei, der sogar am Ostersonntag seine köstlichen Krapfen verkaufte, überquerte den Strohmarkt und bog von der Piazza San Giovanni in den Borgo San Lorenzo.
Hundert Schritte vor mir sah ich sie: Eleonora und den geheimnisvollen Maskierten! Sie gingen langsam die Straße hinab, in Richtung San Lorenzo. Von weitem sah es aus, als nähmen sie eng umschlungen wie ein Liebespaar an der allabendlichen Passeggiata teil.
Ich folgte ihnen.
Immer noch stiegen Feuerwerksraketen von der Piazza del Duomo in den Himmel, explodierten in einem donnernden Crescendo und sanken als himmlisches Licht zurück zur Erde. Die tiefen Schatten der Palazzi und des Campanile von San Lorenzo waren in ständiger Bewegung, schwappten wie die Wellen des Meeres übereinander.
Als ich die Kirche erreichte, hatte ich Eleonora und den Unbekannten aus den Augen verloren. Ratlos stand ich mitten auf der Piazza San Lorenzo. Wohin waren sie verschwunden?
Im Schein der Fackeln des Palazzo Medici ging ich die Via San Gallo hinab. Über mir ragten die hohen Mauern, wegen denen die Florentiner dem Palazzo den Namen Fortezza Medici – die Festung der Medici – gegeben hatten. Ich sah zu den dunklen Fenstern hinauf. Seit der gewaltsamen Vertreibung der Medici aus Florenz stand der Palazzo leer. Ein paar Schritte weiter blieb ich verblüfft stehen.
Das Tor zum Garten war offen!
Ich rannte die wenigen Schritte zum Hintereingang des Palazzo Medici und hielt den schweren Torflügel auf, bevor er ins Schloss fallen konnte. Ein schneller Blick über die linke und rechte Schulter sagte mir, dass die Via San Gallo menschenleer war. Nicht einmal der Nachtwächter mit seiner Laterne war zu sehen. Vorsichtig schob ich das Portal auf. Auch das schmiedeeiserne Gittertor dahinter war unverschlossen. Lautlos tastete ich mich über das Mosaik aus bunten Kieselsteinen an der Gartenloggia vorbei zum Innenhof. Die Lorbeerbäume in den Terrakottagefäßen waren vertrocknet und hatten ihre Blätter verloren, aber die Fenster des Piano Nobile waren von einem schwachen Kerzenschein erleuchtet. War der Palazzo doch nicht verlassen?
Eine breite Marmortreppe führte zum ersten Stock hinauf. Gelächter wehte mir entgegen mit einer leichten Untermalung eines Liedes von Josquin Desprez. Ich stand vor einer Tür, zögerte. Was sollte ich tun? Die Tür aufreißen und eine peinliche Situation heraufbeschwören? Nein! Lautloser Rückzug, um den Rest des Abends mit Taddeo und seinen Freunden zu verbringen? Nein! Diese
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