Der Fürst der Maler
mich keines weiteren Blickes, raffte ihr zerrissenes Kleid zusammen und verließ Francescos Schlafgemach, bekleidet mit nichts anderem als dem Stolz einer della Rovere.
»Felice wirkte vorhin ein wenig … verstört«, bemerkte Francesco und machte den nächsten Zug mit seinem Pferd. Wir spielten das persische Shah-Spiel in der Loggia des Palastes und tranken einen eisgekühlten Montepulciano.
Statt einer Antwort schob ich meine Königin quer über das Spielbrett.
»Habt ihr gestritten?«, fragte Francesco, der mehr Interesse für meinen Gesichtsausdruck hatte als für die Konstellation der Figuren auf dem Spielbrett.
»Nein«, antwortete ich und trank einen Schluck Wein.
»Hast du sie …?«, begann er erneut.
»Mach deinen Zug!«, forderte ich ihn in einem Ton auf, für den Francesco jeden anderen seiner Gefolgsleute hätte prügeln lassen.
»Du bist immer noch wütend. Was habt ihr zwei euch an den Kopf geworfen? Außer den zerwühlten Kissen meines Bettes?«
»Nichtigkeiten, die man sich sagt, wenn man sich fast zwei Jahre nicht gesehen hat. Nettigkeiten wie Bastard, Hurenbock, Schürzenjäger …«
Francesco lehnte sich auf seinem Sessel zurück und lachte. »Felice ist eine della Rovere! Onkel Giuliano flucht genauso, wenn er zornig ist. Unsere Abstammung von ligurischen Fischern aus Savona können wir nicht immer verleugnen. Und was hast du ihr gesagt?«
»Dass ich sie liebe.«
»Dein überraschendes Geständnis scheint einen geringeren Eindruck auf sie gemacht zu haben als die Geburt deines Sohnes. Sie hat ihre Truhen gepackt und ist nach Rom abgereist.«
»Wann?«, fragte ich überrascht.
»Vor zwei Stunden, sagte mir Francesco Buffa.«
Ich sprang auf. »Leih mir dein Pferd, Francesco! Ich reite ihr hinterher.«
»Nach dem, was du ihr angetan hast?« Francesco warf unwillig zwei Spielfiguren mitten auf das Brett des Shah-Spiels. Die anderen Figuren fielen um.
»Was zwischen Felice und mir geschehen ist, geht dich nichts an!«, fauchte ich.
»Selbstverständlich geht es mich etwas an, Raffaello! Ich werde eines Tages Urbino regieren. Felice ist die Tochter des Papstes, meines Lehnsherrn. Und sie ist die Gemahlin von Gian Giordano Orsini, der es bereits einmal auf mein und meines Onkels Leben abgesehen hatte. Orsini ist der gefährlichste Condottiere in ganz Italien. Er ist so mächtig, dass man ihn nicht unauffällig beseitigen kann. Die Orsini sind verschwägert mit den Medici von Florenz. Kardinal Giovanni de’ Medicis Mutter war eine Orsini, die Gemahlin seines Bruders Piero war ebenfalls eine Orsini.
Ich weiß zufällig, dass du Giovanni de’ Medici gut kennst, sogar mit ihm befreundet bist. Er hat dir sicher erzählt, dass er gerne Papst werden würde, sobald die – wie nennt er es? – die della-Rovere-Brut aus dem Vatikan vertrieben wurde. Sein ehrgeiziger Bruder Giuliano de’ Medici, der sich selbst jeden Morgen im Spiegel schon als Herzog der Toskana begrüßt, war zu Gast in Urbino, als vor wenigen Monaten die Pest ausbrach. Er ist immer noch hier! Und er wird sicherlich auch nach der Pest bleiben, denn das Schwalbennest Urbino ist ja so viel sicherer und gemütlicher als die Nester der florentinischen Aasgeier Soderini und Machiavelli oder der römischen Adler aus dem Gelege der Farnese und Riario.
Und da ist noch meine liebreizende Gemahlin, Eleonora Gonzaga, die geheime Botschafterin des Marchese von Mantua in Florenz. Das war eine diplomatische Meisterleistung meines Onkels Francesco Gonzaga! Doch bevor Seine Eminenz, Kardinal Giovanni de’ Medici, Eleonora in sein Bett holen konnte, hast du ihr den Kopf verdreht. Deine Affäre mit Eleonora hat bei den Fürsten von Mantua, Ferrara und Urbino für Aufsehen gesorgt. Isabella d’Este ist besessen von der Idee, von dir gemalt zu werden. Sie würde sich für dich ausziehen, selbst wenn sie wüsste, dass du ihr einen Enkel geschenkt hast …
Dio mio! Rom, Florenz, Mantua, Ferrara, Urbino: Halb Italien sieht deinen Affären zu, mit einer Hand am Schwert. Und du sagst, es geht mich nichts an, wenn du mit Felice ins Bett kriechst?«
Eleonora bat mich, in Urbino zu bleiben. Wenigstens bis zur Taufe unseres Sohnes. Francesco und ich einigten uns bei zwei Bechern Vino Santo darauf, ›unserem‹ Sohn den Namen Luca zu geben. Und wir beschlossen bei zwei weiteren Bechern Wein, dass der übernächste Herzog von Urbino den Namen della Rovere tragen würde. Und so wurde es von Onkel Bartolomeo im Taufregister des Domes vermerkt und
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