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Der Fürst der Skorpione

Der Fürst der Skorpione

Titel: Der Fürst der Skorpione Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Hammerschmitt
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dann.«
    »Ich mag scharfes Essen«, sagte Tabea trotzig, und biss ein zweites Mal ab. Jetzt war das Kauen schon nicht mehr so schmerzhaft.
    »Aha«, sagte Etienne. »Sag mal, ist das eigentlich wahr, was man sich über euch erzählt? Dass ihr aus Österreich geflohen seid? Und dass dein Freund…«
    »Björn meinst du?«
    »Genau… also, dass er früher zur EF gehörte und danach ein Zombie war. Deine… deine… wie heißt das noch gleich?«
    »Vaterfigur. Und wir sind aus Deutschland, nicht aus Österreich.«
    »Aha. Genau. Vaterfigur. Ist das wahr?«
    Tabea erzählte ihm alles. Als sie zum ersten Mal das Wort »Karawane« benutzte, schnaubte Etienne verächtlich. »Karawanen! Ihr wisst doch gar nicht, was das ist. Wir haben hier Karawanen. Ihr habt Lastzüge!« Aber ansonsten hörte er geduldig und aufmerksam zu. Als sie fertig war, schwieg er eine Weile, beeindruckt, wie es schien.
    »Und er hat euch aus El Dschaem rausgebracht? Und diese EF-Patrouille fertiggemacht, nur mit einer Mitrailleuse? Und du warst die ganze Zeit dabei?«
    »Sag ich doch«, antwortete Tabea, der es nicht schlecht gefiel, dass sie etwas zu erzählen hatte, was Etienne Respekt abnötigte. Mit dem Fladenbrot war sie mittlerweile fertig. »Wo ist Björn eigentlich jetzt?«, fragte er und nahm einen Schluck aus seiner Teeschale.
    »Oben untersuchen sie ihn gerade«, sagte sie leichthin. »Er will sich euch anschließen.«
    Etienne blickte auf. »Er ist schon bei den Ärzten? Bei Abdul und Seif?«
    »Weiß nicht, wie die heißen. Haben mich ja vor der Tür stehen lassen, deine Kameraden. Aber es war das Stockwerk mit dem komischen Zeichen an der Tür.« Etienne nickte nachdenklich.
    »Und du?«, fragte Tabea.
    »Was: ›und ich‹?« Er stellte die Teetasse ab und sah sie misstrauisch an.
    »Ich mein ja nur«, sagte Tabea eingeschüchtert, »dein Name und alles…«
    »Was soll das heißen, ›mein Name und alles‹?« Er hielt inne, als plötzlich der Mann hereinkam, der zuvor Tabea angeschnauzt hatte. Die Schutzbrille saß jetzt auf seiner Stirn. Sein Gesicht war verschwitzt und dreckig, er schien offenbar genauso gut gelaunt wie der Tuareg im Kamelstall. Der kurze arabische Satz, den er in Etiennes Richtung schleuderte, klang sehr unfreundlich. Etienne zahlte mit gleicher Münze heim, und für einen Moment sah es so aus, als würde es gleich richtig krachen, aber dann machte der Mechaniker nur eine wegwerfende Handbewegung und verließ den Raum.
    »Schwachkopf!«, schimpfte Etienne, sodass es der andere vielleicht noch hören konnte. »Was hat er gesagt?«
    Etienne blinzelte. Tabea fragte sich, wie alt er wohl sein mochte.
    »Es war wegen dir. Maud meint, ich soll nicht so viel mit Weibern reden, sondern lieber arbeiten. Dabei weiß er ganz genau, dass wir heute sowieso nichts zu tun haben. Maud ist ein Muslim von der strengeren Sorte.« Er nahm einen Schluck Tee. »Ich komm aus Frankreich«, fuhr er fort, »meine Eltern sind Parsen.«
    »Parsen?«
    Etienne winkte ab. »Zu kompliziert. Auf jeden Fall bin ich kein Muslim.«
    »Du bist kein Muslim?«
    Etienne seufzte. »Genauso wenig wie ein Sikh ein Muslim ist, ein Djaina oder ein beschissener Baha’i.«
    Tabea war verwirrt. »Und wieso Frankreich?«
    »Na, weil meine Eltern während des letzten iranischen Bürgerkriegs nach Frankreich geflohen sind, darum. Und weil mir Europa nicht gefallen hat und die Schule auch nicht und weil mich meine Religion mal kann, bin ich ausgerissen. Vor vier Jahren. Und jetzt bin ich hier. Ich werde von allen Etienne genannt, was ich okay finde. So einfach ist das.« Tabea dachte an ihre eigene Flucht und war sich sicher, dass Etiennes Weg von Frankreich hierher alles andere als einfach gewesen war. Ihr fielen zum Beispiel die kleinen wulstigen Narben auf, die seinen ganzen linken Unterarm überzogen. Als er Tabeas Blick bemerkte, bedeckte er das Narbenmuster mit seiner rechten Hand.
    »Sag mal«, begann Tabea zögerlich, »wenn man dich so hört, könnte man auf die Idee kommen, dass du auch nicht so furchtbar gern hier bist.«
    Etiennes Augen blitzten, er richtete seinen Oberkörper auf, als sei er empört, als wolle er sich verteidigen. Aber er wurde nicht laut, sondern sank wieder in sich zusammen. »Ich mach mir nur Sorgen«, erwiderte er. »Wir können hier jederzeit von der EF aufgestöbert und vernichtet werden. Jederzeit. Das nagt an dir, das macht dich fertig, kannst du mir glauben. Aber Nasrid und Hassan…«, er sah ihr direkt in die Augen, sein

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