Der Fürst der Wölfe - Wegner, L: Fürst der Wölfe
verschmälerte ihre Augen. „Unsere Herden lebten lange Zeit zufrieden und einträchtig miteinander. Sie folgten unserem Ruf mit Freude und schenkten uns ihr Blut und ihr Leben. Wenn der Herzschlag einer Blutquelle versiegt, gibt es keinen Schrecken, keine Qualen. Einzig Geborgenheit in unseren Armen.“
„Ihr habt sie belogen und in die Irre geleitet. Jene Menschenkinder hielten euch für Götter. Eure wahre Natur blieb ihnen verborgen.“
„Keineswegs! Sie wussten stets, was sie erwartete und kamen aus freien Stücken in unsere Horte. Außerdem lebten sie in unserer Obhut friedfertig und schlugen sich nicht wegen Lappalien die Köpfe ein!“
Er schnaubte. „Als hätte das alte Volk jemals einen Krieg verhindert oder auch nur verhindern wollen. Deine Mutter und dein Bruder wirken seit Jahrtausenden an der eigenen Legende und der des alten Volkes. Eure Wahrheit ist durchsetzt von Lügen.“
Die Lippen gespitzt, schwenkte sie den Wein in ihrem Glas. Da sie verärgert war, wurde ihr Duft intensiver. Heilige Hundescheiße, wie sollte er diese Nacht überstehen? Gleichzeitig leerten sie ihre Gläser. Während er das seine sofort nachfüllte, setzte sie ihres am Boden ab. Dann schob sie sich tiefer in das Bett hinein und fiel in die Kissen. Sollte er …? Hölle, nein! Sie hatte ihn einen Wüstling und Mistkerl genannt. Sie verschränkte die Hände hinter dem Kopf, wodurch sich ihre Brüste aus dem Stoff hervordrückten.
„Ohnehin ist es gleichgültig geworden. Ich bin nun selbst eine Gejagte. Freiwild für jeden Vampir. Eine Lamia, die verwelken und vergehen wird wie eine Sterbliche“, sagte sie mit bebender Unterlippe.
Ihr Kummer berührte ihn tiefer, als er zulassen wollte. Trotz aller Niederlagen in seinem Leben hatte er stets gewusst, wer er war. Es musste einem Albtraum gleichkommen, eines Tages zu erwachen und festzustellen, dass die gewohnte Kraft verloren war und nie zurückkehren würde.
„Du bist kein Menschenkind und wirst auch keines werden, Berenike. Das ist Unsinn!“
„Selbst du, ein Alphawolf, hast eine Weile gebraucht, bis du erkannt hast, was ich bin.“
„Weil du dich von oben bis unten mit einem stinkenden Fliederwässerchen besprüht hast“, sagte er und zog eine Grimasse.
„Ich bin nicht mehr dieselbe“, raunte sie und schloss die Augen.
Und das war ein Lichtblick. Wohlweislich behielt er das für sich und musterte sie. Obwohl sie unglücklich war, ging von ihrem lang ausgestreckten Körper eine knisternde Sinnlichkeit aus. Ihr Haar war vollkommen glatt und breitete sich über dem Kissen aus. Er fragte sich unwillkürlich, wie es sich anfühlte, wenn er die Hände hineingrub. Es war so dicht, dass er bestimmt nicht alles fassen konnte. Weich würde es über seine Unterarme fließen und …
Abrupt sprang er von der Bettkante auf. Keine Sekunde länger hielt er es mit ihr in einem Zimmer aus, geschweige denn den Rest der Nacht. Berenike hob die Lider und blitzte ihn unter ihren Wimpern hervor an.
„Willst du eine der Huren aufsuchen?“
Exakt das war sein Plan, um das Lodern in seinem Schritt endlich loszuwerden. Das Hemd fiel über seine Kniehose und verbarg seine Erregung, aber eine Lamia musste nicht immer etwas sehen, sie konnte sehr vieles wittern. Der Schimmer in ihren Augen machte ihn misstrauisch. Sobald er hinausging, würde sie ihm folgen und hinterherschnüffeln. Die Gemälde an der Wand hatten ihre Neugier sprießen lassen. Wie bei einer Jungfrau. Diese Idee verwarf er sofort wieder. Er wusste sehr genau, wodurch Lamia und Vampire das Blut ihrer Quelle verfeinerten.
„Du könntest eines der Mädchen zu uns bitten“, schlug sie vor und wickelte eine lange Strähne um ihren Finger.
„Was?“, entfuhr es ihm. „Willst du etwa …?“
„Nur zusehen will ich“, unterbrach sie ihn. „Um etwas darüber zu lernen. Meine Mutter hat es mir nie erlaubt, wenn du verstehst, was ich meine.“
Er verstand sehr gut. Was immer Selene bezweckt hatte, es war ihr wichtig gewesen, dass Berenike unberührt blieb. Seine Gedanken versiegten.
„Zusehen“, rief er sich in die Gegenwart zurück.
Ihr Nicken warf ihn vollends aus der Bahn und löste ein Brennen auf seiner Haut aus. Er brauchte Erleichterung, aber eine Hure wäre ein fader Ersatz für das, was er wirklich wollte. Es sollte Berenike sein, die ihre Beine um ihn schlang. Ihr Schoß, in den er eindrang, um das Spiel, mit dem sie begonnen hatte, zu beenden. Nach seinen Regeln. Tief atmete er durch. Keine seiner
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