Der Funke des Chronos
große Lust, dass uns hier irgendjemand findet – sei es nun diese Mörderbande oder die Obrigkeit.«
»Und wie?« flüsterte Tobias.
Heine gab seiner Waffe einen Stoß, und sie rutschte nun quer über den Boden auf seinen Gefährten zu. Anschließend warf er ihm die Maske zu, die er mitgenommen hatte. »Lassen Sie sich etwas einfallen, junger Freund. Aber beeilen Sie sich!«
Tobias ergriff Pistole und Maske und nickte. Dann streifte er sich den seltsamen Kopfputz über. Er stank nach Schweiß – und es war nicht leicht, durch den Filter zu atmen. Heine taumelte benommen zu dem offen stehenden Bullauge. »Los jetzt! Ich helfe Ihnen, sobald ich wieder zu Atem gekommen bin.«
Mit Pistole und Florett bewaffnet, spähte Tobias durch den Türspalt in die Schiffsmesse. Das Zischen war inzwischen leiser geworden, und der Raum musste nun ganz eingenebelt sein. Er öffnete die Tür und robbte im Zwielicht so leise wie möglich zu dem bewusstlosen Fremden neben dem Tisch. Dort wartete er. Der Kapuzenträger hatte gewiss etwas auf dem Schiff gesucht. Sicher lauerte er oben am Schott darauf, bis das Gas seine Wirkung endlich getan hatte. Tobias war ganz sicher, dass auch er es sich nicht leisten konnte, dort oben allzu lange abzuwarten, ob die Schüsse von jemandem gehört worden waren.
Er atmete ruhig durch den Filter der Maske, und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis ein Schatten auf die Treppe des Niedergangs fiel. Er presste sich auf den Boden. Wenig später betrat der Kapuzenträger den Raum. Er war wie vorhin mit Rapier und Pistole bewaffnet und sah sich vorsichtig um. Tobias hob im Dunkeln die Schusswaffe, zögerte jedoch. Er konnte doch nicht einfach einen Menschen erschießen. Einerlei, was dieser getan haben mochte.
Entschlossen visierte er die Pistolenhand seines Gegners an und drückte ab. Ein lautes Krachen erfüllte den Raum. Die gegnerische Waffe flog mit zerborstenem Griff gegen die Wand, und der Unbekannte schrie unter der Vogelmaske auf. Der Maskierte warf sich herum und flüchtete wieder nach oben.
Tobias ließ die leergeschossene Pistole fallen, sprang auf und setzte ihm nach. Kurz nacheinander erreichten sie das Deck, wo der Fremde nun in Richtung Pier rannte. Nur am Rande bemerkte Tobias, dass der Wache haltende Matrose mit verrenktem Hals neben der Reling lag.
Der Gegner hatte gerade den Hauptmast erreicht, als Tobias seinen wehenden Umhang zu fassen bekam. Er zerrte an dem Stoff, und der Unbekannte stürzte auf die Planken. Doch bevor Tobias zupacken konnte, hatte der Fremde die Schlaufen gelöst, eine Rolle geschlagen und war mit dem Rapier in der Hand wieder aufgesprungen. Obwohl die Linsen der Maske inzwischen leicht beschlagen waren, entdeckte er, dass die Linke des Fremden stark blutete. Nicht nur das: Dort, wo sich der Ringfinger befand, war nur noch ein blutiger Stumpf zu sehen.
Tobias ließ den Kapuzenmantel fallen und riss sich keuchend die Vogelmaske vom Kopf. Kaum polterte sie auf die Planken, als der Fremde auch schon zuschlug. Tobias riss im letzten Augenblick seine Waffe hoch, und die elastische Klinge des Floretts vibrierte unter dem Aufprall des Rapiers. Kurz draufhielt er sich mit seinem Gegner umklammert und spürte, wie ihm der eigentümliche Schnabel der gegnerischen Maske gegen die Wange drückte.
Radoppio. Tobias stieß den Fremden von sich und konterte mit einem Ausfall, den dieser mit einer eleganten Enveloppe ablenkte. Eine Weile war das Klirren von Stahl auf Stahl zu hören, und der Maskierte trieb Tobias Stück für Stück auf eine Brasswinde zu. Verflucht, mit dem Rapier war ihm der Kerl überlegen!
Battuta. Mit einem kräftigen Schlag seines Floretts versuchte er, dem anderen die Waffe aus der Hand zu prellen, doch der wich aus und drängte ihn erneut zurück. Augenblicke später spürte Tobias die Lenzpumpe des Schiffs im Rücken und duckte sich unter einem tückischen Hieb, stolperte jedoch unversehens über einen aus dem Deck ragenden Pallpfosten. Schwer krachte er auf die Planken und spürte im nächsten Augenblick die Klinge seines Gegners am Hals.
»Der Stein, Zeitreisender!« nuschelte der Fremde unter der Maske. »Gib ihn mir!«
Tobias keuchte überrascht auf. Hinter ihm war ein Poltern zu hören. Heinrich Heine kam mit zwei schweren Belegnägeln angerannt, von denen er einen noch im Laufen schleuderte.
Der Maskierte wurde an der Schulter getroffen und stieß einen leisen Fluch aus. Tobias nutzte die Ablenkung, rollte sich zur Reling und rappelte
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