Der Funke des Chronos
bedeuten, dass … dass …«
Tobias starrte ihn tonlos an, und Heinrich Heine wich einen Schritt vor ihm zurück. »Nein, das glaube ich Ihnen nicht.«
Der Student kam um eine Antwort herum, denn unten im Treppenhaus des Speichers waren Stimmen zu hören. Männer näherten sich ihrem Stockwerk. Keine Sekunde lang glaubte Tobias, dass diese Leute zufällig im Gebäude waren – oder gar einen anderen Dachboden zum Ziel hatten.
Seite an Seite hasteten er und Heine zu der Kiste und schlossen den Deckel. In aller Eile schob Tobias die am Boden verstreute Holzwolle beiseite. Um ein Stockwerk weiter hinauf zu flüchten, war es zu spät.
»Licht aus!« flüsterte Heine.
Tobias griff wieder zu der Laterne und löschte das Licht. Der Dichter war bereits zu dem Verschlag nahe der Tür gelaufen und bedeutete Tobias, sich dort ebenfalls zu verstecken. Keinen Augenblick zu früh. Kaum hatten die beiden die Köpfe eingezogen, als sich die Bodentür öffnete.
»Hey, look at this. The door is unlocked!« grunzte eine Bass-Stimme auf englisch.
»Wat seggt hej?« wollte ein anderer mit hoher Fistelstimme wissen.
»Kiek doch hin«, fluchte ein dritter. »Dat Schloss is op.«
Die Tür öffnete sich, und vier Männer betraten den Raum und leuchteten die Kisten mit Laternen ab. Tobias und Heine pressten sich gegen die Wand des Verschlags, und jeder hörte sein Herz hämmern.
»Seiht ut, as weer noh allens dor«, murmelte der Mann mit der Fistelstimme.
»Schätze, de Tüdelkopp hebben bloots vergeeten aftoschließen«, brummte der vierte und grunzte unwillig. »Mallige Lamp. Wat is bloots mit die los. Schietige Docht.«
Tobias hörte, wie der Mann seine Laterne schüttelte. Plötzlich stand er ganz in der Nähe des Verschlags und hängte die Lampe an einen rostigen Nagel, der neben der Bodentür in der Wand steckte. Sie glomm nur noch schwach. »Na, hältst du wohl?« murmelte er.
Tobias bemerkte, wie Heine zu seiner Pistole griff.
»Los! Man tau, Männer!« war wieder die Stimme des dritten zu hören. »De Ladung mutt hüüt noh ut de Stadt.«
Tobias und Heinrich Heine hörten mit an, wie die Männer eine der Kisten anhoben und in den Vorraum trugen. Dort wurde eine Klappe geöffnet, und dann quietschte leise eine Winde. Eine gute halbe Stunde lang schleppten die Arbeiter Kiste um Kiste aus dem Speicherraum und schafften die Fracht mit einem Flaschenzug auf die Straße. Dann, endlich, verließen die vier den Boden und schlossen mit einem lauten Knall die Tür. Von draußen wurde abgeschlossen. Tobias und der Dichter wagten erst, wieder aufzustehen, als die Schritte auf den Treppen verklungen waren. Und sie hörten, wie sich auf der Straße vor dem Speicher ein Karren in Bewegung setzte.
»Das war knapp«, erklärte Tobias und richtete sich auf.
Heine erhob sich stöhnend und wankte gegen die Stapelwand auf der Rückseite des Verschlags. Dort hielt er sich den verletzten Arm. »Ich hätte die ganze Zeit über schreien können vor Schmerzen.«
Tobias konnte in der Finsternis nicht erkennen, wie es um den Verband seines Begleiters stand. »Kommen Sie, Herr Heine. Sehen wir zu, dass wir zurück zum Boot kommen. Dann verbinde ich Sie neu.«
Er wollte gerade die Tür des Verschlags aufziehen, als gleich neben dem Zugang zum Boden ein lautes Scheppern ertönte. Sofort flammte es hell im Raum auf.
Entgeistert starrte Tobias auf die brennende Öllache, die sich auf dem Boden vor der Tür zum Speicherraum ausbreitete. Inmitten der rußenden Flammen lag die zerbrochene Laterne, die der Arbeiter an die Wand gehängt hatte. Der Mann hatte vergessen, sie mitzunehmen, und der Nagel musste sich aus der Wand gelöst haben.
»Um Gottes willen, wir müssen das Feuer löschen!« rief Heine. Beide stürmten aus dem Verschlag, und Heine versuchte, die Flammen mit seiner Jacke auszuschlagen. Als Ergebnis stand der Überwurf nach kurzer Zeit ebenfalls in Flammen. Auch Tobias bemühte sich, die Flammen zu ersticken. Doch dann gab es ein puffendes Geräusch, Holzwolle und Sägespäne am Boden entflammten, und das Feuer breitete sich in einer blauen Welle in Richtung auf die Kisten aus. Inzwischen leckten die Flammen auch an der Wand des Bretterverschlags und neben der Tür empor. Der Raum war von beißendem Qualm erfüllt.
Heine trat fluchend die Flammen auf seiner Jacke aus. Tobias erstarrte. Ihm fiel das Gemälde in Gerresheimers Besitz ein. Plötzlich schrie er: »Heine, welches Datum haben wir?«
Der sah verständnislos zu ihm auf und
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