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Der Funke des Chronos

Titel: Der Funke des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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die Jolle los und ergriff eines der behelfsmäßigen Ruder. Sie stießen das Boot ab und glitten lautlos auf die offene Wasserfläche hinaus. Eine Weile war nur das Plätschern eintauchender Bretter zu hören. Sie schlugen einen großen Bogen und paddelten dann vorsichtig auf die Hammonia zu. Tobias hätte jubeln mögen. Auf der dem Hafenbecken zugewandten Seite entdeckte er ein halb heruntergelassenes Fallreep, das knapp anderthalb Meter über der Wasseroberfläche hing. Es dauerte nicht lange, und sie hatten es erreicht.
    Vorsichtig richtete sich Tobias auf dem schwankenden Boden auf und band die Jolle an der untersten Sprosse des Fallreeps fest. Dann zog er sich hoch und kletterte vorsichtig zur Reling. Der wachhabende Matrose saß gute zehn Meter von ihnen entfernt und wandte ihnen den Rücken zu. Er summte eine lustige Melodie und stopfte sich erneut ein Pfeifchen.
    Tobias glitt an Deck und spürte, wie ihm Heine lautlos folgte. Überaus vorsichtig schlichen sie hinter dem Mann zum Heck des Schiffs, wo die Deckshütte des Niedergangs, also der Schiffstreppe, lag. Als sie den Holzbau erreicht hatten und vor den Blicken des Matrosen sicher waren, atmete Tobias erleichtert aus. Heine zögerte nicht lange und öffnete leise das Schott. Dahinter führten Treppenstufen in die dunkle Tiefe. Heine ging voran. Tobias folgte ihm und schloss die Tür. Die Stufen knarrten unter ihren Schritten, es roch nach Tabakrauch und kaltem Essen.
    Trotz des Sternenlichts, das durch die Oberlichter in den Raum sickerte, war es schwer, irgend etwas zu erkennen. Heine entzündete ein Streichholz, und sie entdeckten, dass sie in der Schiffsmesse standen. Die Wände waren getafelt und mit Schiffsgemälden versehen. Die kleine Flamme enthüllte einen langen Klapptisch, neben dem Aufgang hing eine Öljacke samt Südwester – und von der Decke baumelte eine Öllampe, an der ein Tablett mit Vertiefungen für Flaschen und Gläser angebracht war. Beständig gluckste unter ihnen das Wasser der Schiffsbilge. Durch eine offen stehende Tür erhaschte Tobias einen Blick auf die Pantry, einen kleinen Raum, in dem sich eine Wasserpumpe, eine Wanne sowie ein Regal mit Blechgeschirr befanden.
    »Touche!« flüsterte Heine und wandte sich einer Tür seitlich des Niedergangs zu. »Ich wette noch einmal zehn Schilling, dass sich dort die Kapitänskajüte befindet. Und noch einmal zehn, dass darin das Frachtbuch liegt.«
    Er entzündete ein weiteres Streichholz und drehte am Türknauf. Verschlossen. Unwirsch reichte er Tobias die Schachtel mit den Phosphorhölzchen und wies ihn an, ihm zu leuchten. Als dieser das dritte Zündholz entflammte, hatte Heine bereits zu einem Brecheisen gegriffen. Es handelte sich um jenes, das sie gestern in der Ledertasche des Kahlköpfigen gefunden hatten. Der Dichter setzte das Eisen neben dem Schloss an und stemmte sich mit Wucht dagegen. Mit einem knirschenden Laut brach das Schloss weg, und die Tür schwang auf. Gespannt hielten sie inne. Doch von oben war nichts zu hören.
    Die Kajüte hinter der Tür machte einen gediegenen Eindruck. Zu ihrer Rechten befand sich ein offenes Kastenbett, neben dem ein hölzerner Spind verschraubt war. Unter den beiden Heckfenstern war ein Sekretär zu erkennen, auf dem Seekarten und Navigationsgeräte lagen. An den Wänden hingen Ölbilder und maritime Erinnerungsstücke. Heine hielt sich nicht lange auf und schloss die Sturmklappen vor den Bullaugen. Anschließend bat er Tobias, eine verglaste Öllampe an der Wand neben dem Sekretär zu entzünden. Der tat es und stellte den Docht niedrig. Der Dichter durchwühlte inzwischen die Schubladen.
    »Ich habe es!« flüsterte er nach einer Weile. Zufrieden präsentierte er ein in Leder eingeschlagenes Buch und blätterte bis zur Seite der aktuellsten Eintragungen vor. »Hier, die Frachtliste. Schauen wir doch einmal, was mit L- 333 – L. 341 gemeint ist … Aha, es handelt sich offenbar um Kisten, die von der englischen Firma Godwin Knight & Sons aufgegeben wurden.« Er grübelte. »Seltsam. Von der habe ich schon einmal gehört. Mein Bruder Max in Petersburg, erinnern Sie sich? Die Sache mit dem Mesmerismus.«
    Tobias nickte.
    »Er erzählte mir vor zwei oder drei Jahren«, erläuterte Heine, »dass diese Firma die einzige sei, die magnetisierte Metallkomponenten verkauft. Unter anderem für diese Baquets.« Er tippte aufgeregt auf eine bestimmte Stelle der Seite. »Aha. Die Ladung wurde in einen Speicher an der Deichstraße verbracht. Hier

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