Der futurologische Kongreß
besterhaltenen Organe und Körper verwendet. Als ich an die Reihe kam, gab es nur noch Ausschuß, also …«
»Was unterstehen Sie sich? Sie eignen sich meinen Körper an, und obendrein meckern Sie noch!«
»Ich meckere nicht, ich gebe nur wieder, was mir Doktor Fisher gesagt hat. Das da«, – er deutete sich auf die Brust -»das hielten die Ärzte anfangs für unbrauchbar. Aber aus Mangel an Besserem nahmen sie zuletzt die Neubelebung vor. Sie aber waren zu diesem Zeitpunkt bereits verpflanzt.«
»Ich?«
»Freilich Sie. Ihr Gehirn.«
»Und der da?« – ich wies auf mich. »Wer ist das? Will sagen – wer war das?«
»Einer dieser Gegenbewegler. Angeblich ein Anführer. Er konnte mit dem Zünder nicht umgehen. Ein Splitter fuhr ihm ins Gehirn. So ist mir das geschildert worden. Und somit …« – Trottelreiner zuckte meine Achseln. Ich schüttelte mich. Ich fühlte mich unbehaglich in diesem Körper, ich wußte ihm nichts abzugewinnen. Mich ekelte. Die dicken quadratischen Fingernägel zeugten durchaus nicht von Intelligenz. »Und was soll nun werden?« – flüsterte ich und setzte mich neben den Professor, weil mir die Knie versagten. »Haben Sie vielleicht einen Spiegel?« Aus der Brusttasche zog er einen hervor. Begierig griff ich danach. Ich erblickte ein großes blaugeschlagenes Auge, eine grobporige Nase, Zähne in üblem Zustand, ein Doppelkinn. Die untere Gesichtshälfte ging im roten Bartwald unter. Als ich den Spiegel zurückgab, bemerkte ich, daß der Professor Waden und Knie neuerlich der Sonne aussetzte. Impulsiv wollte ich ihn auf die Empfindlichkeit meiner Haut aufmerksam machen, doch ich bezähmte mein Mundwerk. Der Sonnenbrand, den er sich zuziehen konnte, war seine eigene Angelegenheit. Die meinige jedenfalls nicht mehr.
»Wohin kann ich jetzt noch gehen?« – entschlüpfte es mir. Trottelreiner wurde munter. Seine (seine?!) klugen Augen richteten sich mitleidvoll auf mein (mein?!) Gesicht. »Ich rate Ihnen: gehen Sie nirgendshin. Der da, er wird als mehrfacher Attentäter von der Polizei dieses Staates und vom FBI gesucht. Es gibt Steckbriefe, Abschußerlaubnis …« Das gab mir den Rest! Ich zuckte zusammen. – O Gott! Das muß wohl doch eine Halluzination sein! – dachte ich. »Warum nicht gar!« – widersprach Trottelreiner lebhaft. »Wachdasein, mein Bester, das rechtschaffenste Wachdasein!«
»Warum ist das Spital so leer?«
»Das wissen Sie nicht? Stimmt, Sie waren ja bewußtlos … Alles streikt.«
»Die Ärzte?«
»Ja. Das gesamte Personal. Die Extremisten haben Doktor Fisher entführt und wollen Sie für ihn eintauschen.«
»Mich?«
»Freilich Sie. Daß Sie nicht mehr Sie sind, sondern Ijon Tichy, nicht wahr, das wissen die ja nicht.« Mir sprengte es den Schädel. »Ich bringe mich um!« – sagte ich mit heiserer Baßstimme. »Davon rate ich ab. Wollen Sie nochmals umgetopft werden?« Ich überlegte fieberhaft: wie könnte ich mich überzeugen, ob das Ganze nicht dennoch eine Halluzination sei? »Und was wäre, wenn …« – sagte ich und erhob mich. »Wenn was?«
»Wenn ich ein wenig auf Ihnen herumritte. Hm? Was meinen Sie dazu?«
»Ein wenig – was?? Sie sind wohl verrückt geworden!« Ich maß mein Gegenüber mit den Blicken, duckte mich zum Sprung, saß unbewehrt auf und fiel in den Kanal. Der schwarze Stinkbrei erstickte mich fast. Und dennoch – welche Erlösung! Ich kroch an Land. Es wimmelte nicht mehr von Ratten; sie waren wohl anderswohin gegangen. Nur vier verblieben noch. Hart an den Knien des tief schlafenden Professors Trottelreiner spielten sie mit seinen Karten Bridge. Ich erschrak zutiefst. Ist es denn möglich, daß Ratten das wirklich spielen können, und sei es auch unter Einfluß ungemein hochkonzentrierter Halluzinogene? Ich guckte der dicksten ins Blatt. Sie drosch die Karten ohne Sinn und Ziel. Keine Spur von Bridge! Dann war ja alles gut! – Ich atmete auf. Doch zur Vorbeugung beschloß ich steif und fest, mich keinen Schritt weit vom Kanal wegzurühren. Jede mögliche Rettung aus der Bedrängnis war mir gründlich verleidet, zumindest für einige Zeit. Vor dem nächsten Mal wollte ich Garantien fordern, statt mir wieder das Blaue vom Himmel vorgaukeln zu lassen. Ich befühlte mein Gesicht. Kein Bart, keine Maske. Wo war nun wieder die Maske? »Was mich betrifft«, – sprach Professor Trottelreiner, ohne die Augen zu öffnen – »ich bin ein anständiges Mädchen und erwarte, daß Sie sich dementsprechend benehmen, mein Herr.« Mit
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