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Der futurologische Kongreß

Der futurologische Kongreß

Titel: Der futurologische Kongreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Schwänzchen fest ineinandergeschlungen. – Das hat etwas zu bedeuten – sagte ich mir. – Aber ich sollte mich lieber nicht darauf einlassen! Im Kanal plätscherte etwas. »Nanu« – mummelte ich vor mich hin. »Wer ist denn diesmal an der Reihe?« Der pappige Wasserspiegel teilte sich, und zum Vorschein kamen die schwarzglänzenden Gestalten von fünf Froschmännern mit Taucherbrille und Sauerstoffmaske, die Waffe in der Hand. Nacheinander hüpften sie heraus auf den Trittsteig und schritten auf mich zu; ohrenzerreißend schlurften die froschigen Fußflossen. »Habla usted espanol?« – sprach mich der Vorderste an, die Maske abstreifend. Er hatte ein Schnurrbärtchen im bräunlichen Gesicht. »Nein« – gab ich zurück. »Aber ich bin sicher, daß Sie Englisch können, oder?«
    »Irgendein unverschämter Gringo« – sagte der mit dem Bärtchen zum Nebenmann. Wie auf Kommando entblößten alle das Gesicht und legten auf mich an. »Ich soll in den Kanal steigen?« – fragte ich willig. »An die Wand stellen sollst du dich. Hände hoch. So hoch es geht!« Einer stieß mir den Lauf zwischen die Rippen. Ich bemerkte, daß die Halluzination sehr genau war. Alle hatten sogar die Maschinenpistolen in Plastiksäcke gehüllt, um die Nässe abzuhalten. »Da waren noch mehr« – sagte der mit dem Bärtchen zu einem feisten Schwarzhaarigen, der eine Zigarette anzuzünden suchte. Ihn hielt ich für den Anführer. Die Männer leuchteten den ganzen Lagerplatz ab, traten gegen die leeren Dosen, daß es rasselte, und warfen die Fauteuils um. Endlich sagte der Offizier: »Waffen?«
    »Ich hab ihn abgetastet, Herr Hauptmann. Nichts da.«
    »Darf ich die Hände senken?« – fragte ich von der Wand her. »Weil sie mir nämlich einschlafen.«
    »Gleich sinken sie dir ein für allemal. Abknallen?«
    »Mhm« – den Rauch durch die Nase ausstoßend, nickte der Offizier. »Nein, wartet noch!« – setzte er fort. Mit wiegendem Gang kam er auf mich zu. Vom Gürtel hing ihm an einer Schnur ein ganzes Bündel Goldringe. – Ungemein realistisch! – dachte ich. »Wo sind die anderen?« – fragte er. »Mich fragen Sie das? Alles hat sich durch die Luke hinaushalluziniert. Aber das wissen Sie ja ohnehin.«
    »Ein Irrer, Herr Hauptmann. Er soll nicht länger leiden« – sagte der mit dem Bärtchen. Durch die Plastikhülle hindurch entsicherte er seine Waffe. »So doch nicht!« – sagte der Offizier. »So kriegt der Sack ein Loch, und wo findest du einen neuen, Blödian? Nimm das Messer.«
    »Falls ich auch ein Wörtchen mitreden darf: lieber wäre mir halt doch eine Kugel« – bemerkte ich, die Hände um ein weniges senkend. »Wer hat ein Messer?« Alle begannen zu suchen. – Natürlich wird sich herausstellen, daß sie keines haben – überlegte ich. – Das Ende käme ja sonst gar zu schnell! – Der Offizier schmiß das Zigarettenstümpfchen auf den Beton, zerdrückte es angewidert mit dem Flossenende, spuckte aus und sagte: »Wir gehen. Legt ihn um!«
    »Ja, ja, bitte sehr!« – pflichtete ich eifrig bei. Aufhorchend rückten sie dicht an mich heran. »Warum hast du es so eilig ins Jenseits, Gringo? – Seht doch den Sausack, wie er sich aufdrängt! – Vielleicht schneiden wir ihm bloß die Finger und die Nase ab?« – rätselten alle durcheinander. »Nicht doch, meine Herren! Gehen Sie gleich aufs Ganze! Nur keine Skrupel! Frisch gewagt!« – ermunterte ich sie. »Alle Mann unter Wasser!« – kommandierte der Offizier. Sie schoben die Masken vors Gesicht; der Offizier nestelte seinen äußeren Gurt auf, zog aus der Innentasche einen flachen Revolver, pustete in den Lauf, schnippte die Waffe hoch wie der Cowboy in einem schlechten Film und schoß mich in den Rücken. Scheußlicher Schmerz bohrte sich durch den Brustkorb. Ich begann an der Wand zusammenzusinken; der Offizier packte mich beim Genick, drehte mir das Gesicht nach oben und schoß noch einmal aus so unmittelbarer Nähe, daß mich das Mündungsfeuer blendete. Den Knall hörte ich nicht, denn ich verlor das Bewußtsein. Ich weilte dann in vollkommener Finsternis; ich rang nach Atem, sehr lange Zeit hindurch; etwas zerrte an mir; etwas schüttelte mich; – hoffentlich kein Krankenwagen und auch kein Hubschrauber – dachte ich, dann wurde es in meiner Finsternis noch viel dunkler, und auch dieses Dunkel löste sich schließlich auf; somit verblieb gar nichts mehr. Als ich die Augen aufschlug, saß ich auf einem sauber bezogenen Bett in einem Zimmer mit einem

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