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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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aufdringlich. Den Schmerz kannte er seit seiner Kindheit. Er hatte sich beinahe an ihn gewöhnt, und manchmal beachtete er ihn auch überhaupt nicht.
    »Du bist schon auf?«, rief seine Mutter aus der Küche. »Komm frühstücken!«
    Igor aß ein Rührei, trank einen Becher Milch, und dann kochte er sich einen starken Tee. Beim Trinken bemerkte er, dass in der schwebenden Waagschale die Quittung für die bezahlte Telefonrechnung lag, von einem Gewicht beschwert. Er lächelte, nahm noch ein Gewicht aus der zweiten Schale und setzte es auf die Quittung dazu.
    »Mach für Stepan auch einen Tee, und ein Wurstbrot!«, bat ihn Elena Andrejewna.
    Igor nickte mechanisch. Der gestrige Abend fiel ihm ein.
    ›Vielleicht ist er schon zurück?‹, dachte er. ›Und wenn, dann werden Tee und Wurstbrot ihn sicher nur freuen. Dann ist er, nebenbei, wohl auch gesprächiger…«
    Das Darnitza-Brot, das er am Abend zuvor mit heimgebracht hatte, war über Nacht nicht hart geworden. Brot packte [21] Elena Andrejewna stets in einen Plastikbeutel. Igor schnitt zwei dicke Scheiben ab, strich nach Bauernart großzügig Butter darauf und legte ein Stück Kochwurst auf jede. Die Wurstbrote legte er auf einen Teller, und in die andere Hand nahm er den Becher mit Tee.
    Die Tür zum Schuppen war zu. Igor wusste nicht mehr, ob er sie am Vorabend geschlossen hatte, und klopfte für alle Fälle. Es kam keine Antwort.
    Igor stellte den Teebecher neben die Tür und trat ein. Alles war wie gestern. Stepan war nicht zurückgekehrt.
    Igor nahm den Tee von der Schwelle, schloss die Tür des Schuppens von innen und starrte jetzt auf den Rucksack des Gärtners. Das eigenartige Halbdunkel im Raum – Licht kam hier nur durch das Fensterchen rechts von der Tür herein – schuf eine etwas geheimnisvolle Stimmung. Er konnte natürlich den Schalter drücken und sich an dem munteren Schein der Hundertwattbirne freuen, die von der Decke hing. Er konnte auch eine Tischlampe herbringen, wo doch drei Steckdosen freien Zugang zu Strom boten. Alles war hier eingerichtet für bequemes Heimwerken unter Einsatz von elektrischem Werkzeug. Und auch das Werkzeug selbst lag da, auf einem Regal und in zwei hölzernen Kisten.
    Aber Igor gefiel die geheimnisvolle Stimmung besser. Vielleicht, weil Stepan selbst so geheimnisvoll verschwunden war, nachdem er gelesen hatte, was man einst in seinen Oberarm gestochen hatte. Vielleicht, weil auch ohne den Gärtner ein Teil des Geheimnisses hier immer noch irgendwo anwesend war und er versuchen konnte, es zu finden. Nur wo? Im Rucksack?
    Nein, Igor hatte nicht vor, jetzt den Rucksack auf dem [22] Betonboden oder dem alten Läufer auszuschütten. Die gute Erziehung ließ ihn Eigentum achten, bewegliches ebenso wie Immobilien, und selbst solches, das einfach herumrannte und bellte, wie zum Beispiel Nachbarsköter Barsik. Aber die Neugier, drängend und unerbittlich, hielt Igors Blick an diesem halbleeren Rucksack fest. Außerdem war der Rucksack nicht zugeschnallt, obwohl er dafür zwei Riemen besaß.
    Schließlich spähte Igor vorsichtig hinein, konnte aber nichts erkennen. Er knipste das Licht an. Da lag, auf dem Grund des Rucksacks, eine Schachtel mit einem aufgemalten Elektrorasierer, daneben Kleidungsstücke, Socken, Stoffschuhe.
    Nachdem er kurz auf die Außenwelt gelauscht hatte, zog Igor die Pappschachtel aus dem Rucksack und klappte sie vorsichtig auf. Es war tatsächlich ein altmodischer Elektrorasierer mit Gebrauchsanweisung und einer Sammlung von runden Ersatzrotierklingen. Igor drehte ihn hin und her. Ihm kam es seltsam vor, dass Stepan so eine Antiquität benutzte. Andererseits war auch Stepan selbst, verglichen mit Igor, eine Antiquität, ein nicht besonders auffälliger, aber auf seine Art typischer Vertreter des vorigen, zwanzigsten Jahrhunderts. Solche Leute sind konservativ und bewahren gern, woran sie sich in der Jugend gewöhnt haben.
    Als er den Rasierer zurück in die Schachtel legte, entdeckte Igor noch ein Papier, das unter dem dünnen Gebrauchsanweisungsheftchen hervorsah. Er schob einen Finger unter das Heftchen und zog einen Briefumschlag heraus, auch er aus dem letzten Jahrhundert. Auf dem fetten Stempel, der die Briefmarke knapp verfehlt hatte, war das Datum leicht zu lesen: »19.12.99«.
    [23] Plötzlich drang Lärm von draußen herein. Vor Schreck, der Gärtner könnte ihn bei seiner unfeinen Betätigung antreffen, packte Igor die Schachtel mit dem Rasierer zurück auf den Grund des Rucksacks und begriff

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