Der Gärtner von Otschakow
in der Hand an die Tür des Schuppens.
»Wieso klopfst du?«, fragte Stepan verwundert, als er öffnete. »Du bist hier doch der Hausherr, nicht ich!«
Aber über den Tee freute er sich. Und auch die Wurstbrote aß er, genüsslich schmatzend.
»Ich war bei einem alten Bekannten«, erzählte Stepan. »Wollte ihn um Geld für die Reise bitten, er schuldete mir was. Ich habe ihm mal das Leben gerettet. Tja, er hat es mir nicht mehr vergelten können, er ist gestorben. Hatte sich vor zehn Jahren bei einer guten Frau in Bojarko niedergelassen. Sie hat aufgepasst, dass er nicht trinkt, er hatte da so eine Schwäche früher. Und trotzdem ist er gestorben. Das Herz! Aber ich brauche Geld, ich muss doch dort hinfahren…«
»Wohin?«, fragte Igor.
»Na, nach Otschakow! Das Haus ansehen. Mein Vater war auf jeden Fall dort. Vielleicht gibt es auch noch Verwandte… Kannst du mit Geld vielleicht aushelfen?«
Igor dachte nach. Geld hatte er, er sparte behutsam für ein Motorrad. Aber ein Motorrad zu kaufen hat nur im Frühjahr Sinn. Was macht man damit im Winter?
»Nehmen Sie mich mit?«, fragte er.
»Wenn du willst, dann los! Zu zweit ist es lustiger. Und vielleicht finden wir dort einen Schatz?!«, antwortete Stepan lächelnd. »Dann teilen wir Hälfte Hälfte! Nein, das wäre nicht anständig! Wir sind ja nicht gleich alt! Du bist zwei Drittel jünger. Ich gebe dir ein Drittel!«
Auf Stepans unrasiertem, hagerem Gesicht lag ein listiges Lächeln.
[27] »Viel Geld brauchen wir ja nicht!«, fuhr er fort. »Für die Fahrkarten bis Otschakow, und dort dann für Obdach und Brot.«
»Gut.« Igor nickte. »Wann fahren wir?«
»Wir könnten gleich morgen…«
Igor schüttelte den Kopf. »Mutter hat gebeten, dass wir die Kartoffeln verlesen und in den Keller schaffen. Und überhaupt müssen wir Garten und Beete in Ordnung bringen, damit sie keine Sorgen hat.«
»Das ist in ein, zwei Tagen gemacht«, versprach Stepan. »Und ich komme ja auch zurück zu euch. Solange ihr mich nicht fortjagt! Wenigstens bis zum Frühling bleibe ich.«
»Gut.« Igor sah Stepan aufmerksam in die Augen. »Ich rufe an und bestelle die Zugfahrkarten. Man muss ihnen nur die Namen der Fahrgäste nennen…«
»Sadownikow ist mein Name«, sagte Stepan.
Igor konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. Ein kindliches Gefühl stieg in ihm auf, als hätte er jemanden überlistet. Ja, er hatte Stepans Namen schon gewusst! Na, und?
»Warum lachst du?!«, fragte Stepan gutmütig. »Jeder Mensch sollte in Harmonie mit seinem Namen leben. Heißt du Tschebotar, dann sei Schuhmacher, heißt du Sadownikow, dann wirst du am besten Gärtner. Das ist alles. Wie ist denn dein Nachname?«
»Wosnyj.«
»Na, Fuhrmann, und du hast weder einen Wagen mit Taxischild auf dem Dach noch ein Pferd!« Jetzt lächelte Stepan.
»Ich kaufe mir im Frühling ein Motorrad«, erklärte Igor ganz ernst. »Oder früher, wenn wir in Otschakow einen [28] Schatz finden!« Bei den letzten Worten unterdrückte er mit Mühe ein Lächeln.
»Ein Motorrad ist eine gute Sache«, bestätigte Stepan, der auf einmal ebenfalls ernst geworden war, nur, im Unterschied zu Igor, wirklich ernst.
4
Von der Reise nach Otschakow erzählte Igor der Mutter drei Tage später, am Freitag.
Elena Andrejewna war – ob einfach so oder weil alles in Haus und Hof aussah, wie es sich gehörte – guter Laune. Als sie von den Plänen ihres Sohnes und Stepans erfuhr, wunderte sie sich nur ein ganz klein wenig.
»Was wollt ihr denn dort machen, im Herbst?«, fragte sie. »Das Meer ist schon kalt!«
»Stepan hatte in Otschakow früher Verwandte«, antwortete Igor. »Er will ihr Haus finden. Vielleicht lebt noch jemand!«
»Und wann geht der Zug?«, fragte die Mutter.
»Morgen Abend um sieben.«
»Na, dann sag Stepan, dass wir heute hier im Haus zu Abend essen! Ich habe ein Hühnchen gekauft.«
Zum Abendessen kam Stepan frisch rasiert und in blankgeputzten Stiefeln. Seine Erscheinung war, trotz der zerknitterten Hosen und des sackartigen schwarzen Pullovers, fast feierlich.
Elena Andrejewna breitete ein gelbes Tuch auf dem runden Tisch aus, verteilte Teller und Gläser, holte aus dem Schrank [29] eine angebrochene Flasche Wodka und ein Fläschchen hausgemachten Wein, den die Nachbarin ihnen geschenkt hatte. Dann brachte sie aus der Küche eine tiefe Tonschüssel, in der das im Ofen gebackene, mit kleinen Dampfkartoffeln garnierte Hühnchen lag.
Sie zerlegte das Hühnchen selbst und verteilte es auch selbst
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