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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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wäre sie taub und würde ihn sonst nicht hören. »Warum gibt es bei Ihnen Nummer fünf und Nummer sieben, aber nicht Nummer sechs?«
    Die junge Frau strahlte. »Sie haben es bemerkt!!«, rief sie erfreut. »Sonst merkt es fast niemand. Gäbe es aber Krankenzimmer Nummer sechs, dann würden alle es merken und sich beschweren! Unser Doktor hat durchgesetzt, dass wir kein Schild Nr. 6 haben! In Flugzeugen gibt es doch auch keine dreizehnte Reihe! Sonst würde sich keiner in diese Reihe setzen wollen!«
    »Es gibt sie nicht?«, fragte Igor zweifelnd zurück.
    »Natürlich nicht!«, versicherte ihm die Schwester. »Und Krankenzimmer Nummer sechs, das ist dasselbe, nur nicht im Flugzeug, sondern im Krankenhaus!«
    Ein wenig bestürzt stieg Igor die Betontreppe ins Erdgeschoss hinunter und verließ das Gebäude. Er sah sich um, hinauf zu den Fenstern der Traumatologie, und ging los zur Haltestelle der Straßenbahn. Aus hohen Kiefern in der Nähe [206] krächzten Krähen laut herunter. Der Geruch von fauligem Laub war jetzt deutlicher und verriet die Nähe des Waldes.
    19
    Die Abende in Irpen sind dunkler als in Kiew. Das bemerkte Igor jedes Mal, wenn der Abend ihn auf dem Heimweg erwischte. Auch diesmal war er aus Kiew doch im Hellen abgefahren! Und der Anblick des zerschlagenen Koljan mit den geschwollenen, kaum beweglichen Lippen ließ ihn nicht los. In seinem Kopf klang die bösartig-kokette Männerstimme nach, die versprach, Koljan umzulegen. Igor bekam Angst um seinen Freund.
    Vor ihm erschienen die vertrauten Fenster seines Hauses. Igor trat ein, streifte die Schuhe ab, ging in sein Zimmer, warf die Umschläge mit den Fotos aufs Bett und begab sich sofort in die Küche. Er goss sich ein Gläschen Kognak ein, nippte daran, setzte sich an den Tisch und wartete darauf, dass gleich in seiner Seele Ruhe einkehren und die Sorge um das Schicksal seines Freundes Koljan in den Hintergrund treten würde. Er warf einen Blick auf die Waage – gähnende Leere in der linken Schale. Weder Medikamente noch zu bezahlende Rechnungen. Da setzte Igor ein paar Gewichte aus der rechten in die linke Schale hinüber. Versuchte, die beiden ins Gleichgewicht zu bringen, aber es gelang nicht. Er lächelte spöttisch. Das Gläschen war schnell leer, aber Ruhe war nicht eingekehrt. ›Macht nichts, ich bin geduldig!‹ Igor lächelte über den Fluss seiner Gedanken und füllte das Glas von neuem. Nach drei Gläsern Kognak ließ Igor die [207] Waage in Ruhe, und die Fotos und sein seltsames Gespräch mit seinem Namensvetter, dem Fotografen, fielen ihm ein. ›Es wäre ja nicht schlecht, mit den Bildern Geld zu verdienen‹, überlegte Igor. ›Nur müsste man noch verstehen, wie.‹
    Er breitete die Fotos vor sich aus und versuchte, sie in irgendeine Ordnung zu legen. Die Fotos, die sich gut anordnen ließen, waren von Wanja an einem einzigen Tag geknipst worden, als er herumging und Milizionär Igor fotografierte. Da war alles klar. Und Igor erinnerte sich selbst, wie er auf den Markt gegangen, wo er stehengeblieben war, was er näher betrachtet hatte. Drei Fotos, die ihn im Gespräch mit der roten Walja zeigten, zogen seinen Blick magnetisch an. Sie riefen geradezu danach, eingerahmt und an die Wand gehängt zu werden. ›Wie schön sie doch ist, diese Marktfrau!‹, dachte Igor. ›Wie echt! Die schelmischen Augen, das Lächeln, auf das man seine Lippen drücken möchte, die Grübchen in den Wangen.‹ Auf den Bildern waren sie deutlicher zu sehen als im Leben. Und wie kühn sie immer ihren Verabredungen zustimmte! Eine Verabredung mit einem unbekannten Milizionär? War das etwa keine Dummheit? Eine hinreißende zwar, aber doch eine Dummheit! Erst recht, wo sie verheiratet war! Igor versank in Nachdenken und schüttelte bald darauf den Kopf. ›Nein, keine Dummheit. Eine andere Zeit – andere Milizionäre! Und ihren Mann hat sie einfach satt…‹, entschied er. Wieder fiel sein Blick auf ihre Lippen. Auf ihr Lächeln. ›Aber ich kann sie ja morgen sehen! Nicht nur sehen, sondern ihr auch Medikamente überreichen! Ich kann sie heilen! Egal, ob für mich, für sie oder für ihren Mann!‹ Igor füllte das Glas nochmal. »Auf mich!«, flüsterte er ordnunghalber einen [208] Trinkspruch. Er trank einen Schluck Kognak. Seine Lippen verzogen sich zu einem zufriedenen Lächeln. Igor fühlte sich glücklich. Glücklich und unendlich anständig! Fast wie Mutter Teresa. Was trennte ihn noch von der nächsten guten Tat? Doch fast nichts! Er brauchte

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