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Der Gärtner von Otschakow

Der Gärtner von Otschakow

Titel: Der Gärtner von Otschakow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrej Kurkow
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dort die zwei Glühbirnen heraus. »Nimm, für deine Mutter!«
    »Oh, was sind denn das für welche!«, staunte Wanja, der [214] gebannt auf das weiße Milchglas der Birnen starrte. »Brennen die hell?«
    »Sie haben gebrannt, hell!«, antwortete Igor.
    »Danke! Meine Mutter wird sich freuen! Legen Sie sich ruhig hin, ich kümmere mich um den Wein.«
    Igor ging in »sein« Zimmer, streifte die Stiefel von den Füßen, stellte seinen Beutel mit den Medikamenten für Walja neben das Sofa auf den Boden, nahm die Decke, die zusammengefaltet in Griffweite auf einem Stuhl lag, und machte es sich auf dem Sofa gemütlich, wobei er in Rücken und Kreuz jede einzelne von unten aus dem Sofainneren herausragende Sprungfeder wiedererkannte.
    Die Tür knarrte, und im Halbdunkel zeichnete Wanjas Gestalt sich ab.
    »Hier«, flüsterte er. »Nehmen Sie, trinken Sie auf die Nacht!«
    Der Wein im Glas glitzerte seltsam trübe. Igor nahm das Glas aus der Hand seines Gastgebers und trank den trockenen Weißen in zwei Schlucken. Im Mund verteilte sich der vertraute säuerliche Geschmack, und mit dem Geschmack zog in Igors Körper eine eigenartige, leichte Bereitschaft zum Schlaf ein. Auch die Sprungfedern, die seinen Körper von unten stützten, schienen an Spannkraft zu verlieren. Igor spürte sie nicht mehr.
    Frühmorgens, noch im Schlaf, drangen ihm bunte Vogelstimmen ans Ohr. Er öffnete die Augen. Vor dem Fenster fuhren ein paar Fahrräder vorbei. Ein Leiterwagen knarrte mit den Rädern. Das Schnauben des Pferdes wurde abgelöst von zwei Frauenstimmen, die schnell näherkamen und gleich darauf langsam verebbten.
    [215] Igor stand auf, strich die Uniform glatt, zog die Stiefel an. Er trat ans Fenster, vor dem alles in hellem Sonnenlicht lag. Es war, als ginge draußen der Sommer noch weiter, nur das gelb gewordene Laub an den Bäumen verriet die wahre Jahreszeit.
    »Igor.« An der Tür erklang Wanjas Stimme. »Meine Mutter bittet Sie zum Frühstück!«
    Igor drehte sich um. Wanja war schon angezogen.
    Zu zweit gingen er und Wanja in die Küche hinüber.
    »Ich heiße Igor«, stellte der Gast in der Milizuniform sich vor.
    »Ich bin Ihnen so dankbar!«, erklärte Alexandra Marinowna ihm vom Herd her. »So dankbar! Ich kann es gar nicht sagen. Es hat sich so viel zum Stopfen angesammelt, und keine Glühbirne brennt durch. Ich hatte Glück, letztes Jahr haben sie im Laden aserbaidschanische Glühbirnen angeliefert. Ich habe welche gekauft, und keine einzige ist bis jetzt durchgebrannt! Einfach ein Wunder! So, ich habe Grießbrei mit Speck gekocht!«
    Sie füllte dicken Grießbrei in die drei Schalen auf dem Tisch und warf dann mit dem Löffel aus einer kleinen Pfanne knusprig gebratene Speckstückchen über den Brei.
    »Möchten Sie vielleicht noch Salz drüber?«, fragte sie.
    »Nein, danke!« Igor griff nach seinem Löffel.
    »Ich nehme noch ein wenig, so bin ich es gewohnt!« Sie setzte sich und streute großzügig Salz über ihren Brei.
    »Ich muss gleich zur Schicht.« Wanja warf Igor einen Blick zu. »Sind Sie heute Abend da?«
    Igor nickte. Der Brei mit den Speckstückchen war eine schöne Überraschung auf seiner Zunge.
    [216] »Ich wollte mit Ihnen reden«, fuhr Wanja kauend fort. »Mir macht das Fotografieren jetzt solche Freude! Ich habe Ihnen nochmal fünf Filme verknipst.«
    Igor sah Wanja erstaunt an. In seinem Kopf erschien ein Gedanke.
    »Ist im Fotoapparat ein Film?«
    »Ja!«
    »Dann bring ihn her! Fotografier mich, und uns alle!«
    »Ja, der Brei ist ohnehin noch heiß«, sagte Wanja, während er sich vom Tisch erhob.
    Er kehrte mit dem Fotoapparat wieder und fotografierte Igor. Dann knipste er, auf Bitten des Gastes, Igor mit der Mutter, dann knipste die Mutter Wanja mit Igor, und am Ende knipste Igor selbst Wanja mit seiner Mutter, nur hatte zuvor Wanja den Apparat genommen und etwas am Objektiv verstellt.
    »So, so wird es besser«, hatte er gesagt und Igor die Kamera zurückgegeben.
    »Ich komme heute Abend gegen zehn.« Wanja stand auf, nickte und verließ die Küche.
    Alexandra Marinowna kochte einen Tee.
    »Ich bin heute so träge!«, sagte sie lächelnd. »Ich könnte schon seit zwei Stunden auf dem Markt stehen, aber als ich heute Morgen die Glühbirnen sah! Die Hände hab ich zusammengeschlagen! Ich wollte Ihnen danke sagen, aber Wanja meint, Sie sind spät nachts gekommen, also haben wir Sie nicht geweckt… bis Sie von selbst aufgewacht sind… Jetzt muss ich aber los. Schlagen Sie die Tür fest zu, wenn

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