Der Gärtner von Otschakow
und fuhr, sich mit den Scheinwerfern den Weg leuchtend, Richtung Stadt davon. Als Igor am Rand des Platzes stehenblieb, ging das Tor nochmals quietschend ein wenig auf. Durch die Öffnung schaute ein Bursche mit einem Weinschlauch über der Schulter heraus. Er drehte sich um, winkte dem Wächter, und das Tor schloss sich wieder.
Igor sah genauer hin. Gesten und Bewegungen dieses Menschen waren nicht die von Wanja, obwohl er etwa dieselbe Größe hatte und sich auch in seiner Magerkeit nicht von ihm unterschied. Der Bursche ging ein paar Schritte zur Straße, blieb stehen und rückte den Schlauch zurecht.
Igor trat unter den Bäumen hervor.
»He, warte!«, rief er dem Burschen zu, wobei ihm schon klar war, dass er nicht Wanja vor sich hatte. Er wollte nach Wanja fragen.
Aber der Bursche, der bei dem Ruf herumgefahren war, ließ den Schlauch von der Schulter rutschen und sprang in die Dunkelheit, ins Baumdickicht davon.
»Komm raus, keine Angst!«, rief Igor ihm nach.
Ringsum war es still, nur aus der Richtung, in die der Bursche verschwunden war, drang sich entfernendes Knacken von Zweigen herüber.
›Was für ein Esel!‹ Igor schüttelte traurig den Kopf. Er trat näher zu dem Weinschlauch auf dem Asphalt. Stieß ihn leicht mit dem Fuß an, sah, wie der Wein im Innern ins Schaukeln kam, und blickte sich von neuem um.
In der Hand hielt er den Beutel mit den Glühbirnen und der Arznei, um ihn herum war es dunkel und still, vor seinen Füßen lag gestohlener Wein. Was sollte er jetzt damit tun? Ihn hierlassen?
[212] Igor seufzte schwer. Er setzte seinen Beutel ab, ging in die Hocke, hob den Schlauch hoch und packte ihn sich auf die Schulter. Das Schultergelenk schien unter der unerwarteten und ungewohnten Last zu knacken. Igor nahm noch seinen Beutel vom Asphalt und richtete sich mit einem Ruck auf. Der schwankende, wie lebendige Ledersack mit dem Wein drohte jeden Moment von der Schulter zu rutschen und hinunterzufallen.
»Ein schlechter Anfang!«, brummte Igor vor sich hin und wanderte auf dem vertrauten Weg in die Stadt.
Seine rechte Schulter schmerzte. Igor versuchte den Schlauch auf der linken Schulter zu tragen, aber die stellte sich als leicht abfallend oder weniger breit heraus. Der Schlauch hielt sich einfach nicht auf ihr.
Beim vertrauten Gartentörchen trat Igor ein, ließ den Schlauch sorgsam zu Boden gleiten und verschnaufte. Er betrachtete die dunklen, schlafenden Fenster. Dann ging er ums Haus herum und klopfte mit dem Fingerknöchel an die Scheibe. Im Fenster erschien Wanjas verschlafenes Gesicht. Er rieb sich die Augen, starrte heraus, und es war offensichtlich, dass er Igor nicht sah.
»Mach auf, ich bin’s!«, sagte Igor ziemlich laut und brachte sein Gesicht so nah an die Scheibe, wie er konnte.
Endlich hatte Wanja den späten Besucher erkannt und nickte.
»Wo kommt denn das her?«, fragte Wanja verwundert, als er Igor ins Haus gelassen hatte. Sein Blick war auf den Weinschlauch auf dem Holzboden im Flur geheftet.
»Von deiner Kellerei.« Igor lächelte erschöpft. »Ich habe dort auf dich gewartet, und an deiner Stelle kam ein anderer [213] Bursche mit diesem Ding.« Er wies mit dem Kinn auf den Schlauch. »Ich rufe ihn, um ihn nach dir zu fragen, und er haut ab! Ich konnte doch den Beweis für einen Diebstahl sozialistischen Eigentums nicht vor dem Tor liegen lassen!«
Igor staunte selbst, was für korrekte und passende Worte ihm aus dem Mund kamen.
»Also, habe ich es richtig gemacht?«, fragte er Wanja.
Wanja zuckte die Achseln.
»Das war Petja, mein Kollege. Es ist sein Schlauch.« Wanja ging neben dem Wein in die Hocke. »Das wär nicht anständig. Geben wir ihm den lieber zurück. So ein Schlauch kostet mehr als hundert Rubel!«
»Dem Dieb das Gestohlene zurückgeben?! Vielleicht möchtest du, dass ich ihm persönlich diesen gestohlenen Wein nach Hause bringe?«
Wanja antwortete nicht. Im schwachen Licht der Flurlampe verzogen sich seine Lippen beinahe kindlich gekränkt.
»Wenn er dein Freund ist, dann nimm und bring es ihm selbst!«, schlug Igor vor.
»Nein, ich fülle den Wein in meinen Schlauch um, und den hier lege ich ihm heimlich zurück«, flüsterte Wanja. »Er tut mir leid, er ist so ein Pechvogel!«
»Und du bist ein Glückspilz?«, fragte Igor ironisch.
»Ich – ja!«, antwortete Wanja fest. »Ich habe einen Fotoapparat, und sonntags essen Mutter und ich Frikadellen. Bei uns ist alles gut…«
»Ach, übrigens!« Igor blickte in seinen Beutel und zog
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