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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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zurückgerufen, daß seine Brust zu schmerzen begann. Der Wagen stand, und das Singen der Reifen war erstorben.
    Zum zweitenmal dachte er: ich werde sterben. Das hatte der Arzt gesagt. Mit einer Klarheit, die er seit der Schießerei im Treppenhaus nicht mehr gekannt hatte, dachte er: Mrs. Gentrys Kugel hat eine Lunge zerfetzt. Ich verblute innerlich. Jede Bewegung trägt dazu bei.
    Er war zornig auf Barbara, die sein Leben so wenig achtete, die nicht viel fragte, ob er lebte oder starb, die ihn blindlings nach einem Versteck suchen ließ, obwohl er im Sterben war.
    Sofortige ärztliche Behandlung hätte ihn retten können. Das war aus den Worten des Doktors herauszulesen gewesen.
    Sie hatte ihm Blut gegeben, gewiß. Aber was bedeutete ein halber Liter Blut, wenn die dicke, rote Lebensflüssigkeit so unaufhaltsam davonrann. Selbst das Blut einer Unsterblichen vermochte da nichts zu retten.
    Sinnlose Wut stieg in ihm hoch. Zum Teufel mit ihr! dachte er. Ich sterbe, und sie wird ewig leben.
    Sterben war etwas Seltsames, in vielem dem Geborenwerden ähnlich, langes Dahindösen, unterbrochen von halbwachen Augenblicken. Jedesmal, wenn sich die Düsternis für einen Augenblick lichtete, entdeckte Sibert überrascht, daß er immer noch lebte. Die Restspuren des Lebens trieben in einem langen Schlummer dahin, bis er endlich zu einer kühlen, vollkommenen Wachheit zurückkehrte. Graues Licht drang durch ein staubiges Fenster, spielte auf den vielfarbigen Quadraten der dicken Decke auf seinem Körper. Ich werde am Leben bleiben, dachte er.
    Er drehte den Kopf zur Seite. Barbara schlief in einem dicken Sessel neben seinem Bett. Die Polster waren aufgerissen und zerfetzt.
    Barbaras Gesicht war hager vor Erschöpfung; sie wirkte unschön. Ihre Kleidung war schmutzig und zerknautscht. Sibert sah sie nicht gerne an. Er hätte sich abgewandt, aber ihre Augen öffneten sich, und er lächelte.
    »Es geht dir besser«, sagte sie heiser.
    Ihre Hand berührte seine Stirn. »Das Fieber ist weg. Du wirst gesund.«
    »Ich glaube, du hast recht«, sagte er schwach. »Das verdanke ich dir. Wie lange –?«
    Sie begriff. »Eine ganze Woche. Schlaf wieder!«
    Er nickte, schloß die Augen und versank in einem dunklen, erfrischenden Teich. Als er wieder erwachte, bekam er etwas zu essen, eine Hühnerbrühe, die ihm Kraft gab, Kraft zum Sprechen.
    »Wo sind wir?« fragte er.
    »Auf einer alten Farm. Sie ist schon vor mindestens zehn Jahren aufgegeben worden.«
    Sie hatte Zeit gefunden, ihre Sachen zu waschen und ein Kleid anzuziehen, das sie in einem Schrank entdeckt haben mußte. Es war alt, aber wenigstens sauber.
    »Die Entwicklung der Hydroponik hat den Farmer wohl um sein Geschäft gebracht. Die Straße hier ist fast ohne Verkehr. Ich glaube nicht, daß uns jemand gesehen hat. Den Wagen habe ich in der Scheune versteckt. Dort gibt es übrigens noch ein paar Hühner. Was waren das für Leute, die du erschossen hast?«
    »Später«, sagte er. »Zuerst – erinnerst du dich an deinen Vater?«
    Sie schüttelte verwirrt den Kopf. »Ich hatte keinen Vater. Keinen richtigen Vater. Kommt es darauf an?«
    »Für mich nicht. Hat dir deine Mutter nichts von ihm erzählt?«
    »Nicht viel. Sie starb, als ich zehn Jahre alt war.«
    »Warum hast du dann darauf bestanden, daß der Arzt für die Transfusion dein Blut verwendet?«
    Barbara starrte eine Weile auf den Holzboden. Als sie sich Sibert wieder zuwandte, war ihr Blick fest.
    »Eines hat mir meine Mutter erzählt – ich mußte ihr versprechen, es niemanden weiterzusagen. Es schien furchtbar wichtig zu sein.«
    Sibert lächelte schwach. »Du brauchst es mir nicht zu sagen.«
    »Ich will aber«, sagte sie schnell. »Das nennt man doch Liebe, nicht wahr – wenn man alles teilen und nichts geheimhalten will?« Sie lächelte schüchtern. »Das sei mein Erbteil, sagte meine Mutter – was mein Vater mir gegeben habe. Sein Blut. Es habe einen Zauber an sich, der mich jung erhalten würde, der nicht zuließe, daß mir das Alter etwas anhat. Wenn ich einem anderen Menschen Blut spenden würde, könne er wieder gesund oder jung werden. Aber wenn ich je davon spräche oder zuließe, daß man mein Blut untersucht – könne sich der Zauber verflüchtigen.«
    Siberts Lächeln wurde breiter.
    »Du lachst mich aus«, sagte sie. »Du denkst, daß das nur die Phantasien eines kleinen Mädchens sind, oder daß meine Mutter nicht bei Verstand war.«
    »Nein, nein.«
    »Vielleicht waren es Phantasien«, sagte sie leise.

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