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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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Dollar
     
    Irgendein armer Teufel von säumigem Schuldner hatte seine Rechnung bezahlt.
    Flowers saß in seiner Betonzelle und sagte sich, daß ein Arzt nicht verpflichtet sein sollte, Fragen relativer Wertmaßstäbe zu prüfen. Nun gut, die Operation hatte den alten Mann dreißig- bis vierzigtausend Dollar für jedes Jahr Leben, das ihm versprochen wurde, gekostet. Das lohnte sich – vom Standpunkt des alten Mannes aus. Gab es einen anderen Standpunkt? Beglich ein anderer die Rechnung?
    Die Gesellschaft vielleicht. Lohnte es sich für die Gesellschaft? Vielleicht nicht. Der alte Mann war jetzt ein Konsument. Er aß und verbrauchte, was er in jüngeren Jahren klug oder stark oder unbarmherzig genug war, produziert zu haben.
    Also lohnte es sich für die Gesellschaft nicht!
    Das war ein brutaler, unmenschlicher Standpunkt. Das war der Grund dafür, daß niemand die Gesellschaft als Richter darüber anerkennen wollte. Die Medizin hatte seit Jahrhunderten gegen diese Möglichkeit gekämpft. In dieser Hinsicht ließ sich der Ärztebund nicht beeinflussen. Ein Mensch hatte das unwiderrufliche Recht auf den Arzt seiner Wahl und die medizinische Behandlung, die er sich leisten konnte.
    Selbstverständlich, selbstverständlich. Das demonstrierte die Gefahr, das Problem von der falschen Seite zu sehen, wie Hal Mock es tun mochte. Das Wissen war vorhanden; die Geschicklichkeit war vorhanden; die Ausrüstung gab es. Es wäre eine ungeheuerliche Verschwendung, sie nicht einzusetzen.
    Aber vielleicht, dachte er plötzlich, ist der Fehler schon früher aufgetaucht, als das Wissen, die Ausrüstung und die Geschicklichkeit überhaupt entwickelt wurden. Damals hatte die Gesellschaft den Preis dafür entrichtet.
    Die Gesellschaft belegt alles mit einem Preis. In jeder Ära gibt es begrenzte Quantitäten von Intelligenz, Energie, und jenem Erbteil aus dem Denken und Arbeiten der Vergangenheit, dem Kapital. Das Wertsystem der Gesellschaft entscheidet, wie viele Faktoren auf verschiedene Unternehmungen verteilt werden.
    Wie bei einem Budget: so viel für das Essen, so viel für die Unterbringung, so viel für Kleidung, Erziehung, Forschung, Unterhaltung; so viel für den Arzt.
    Was war wertvoller als gute Gesundheit? Nichts, erklärte die Gesellschaft. Ohne sie ist alles wertlos.
    Was meinte Mock, als er behauptete, man könne auch zu gesund sein?
    Gab es eine optimale Grenze, jenseits welcher die Medizin mehr verbrauchte, als sie produziert? Und gab es einen Punkt, von dem aus die Medizin zu einem Ungeheuer wurde und die Gesellschaft verschlang, die sie hervorbrachte?
    Vielleicht konnten die Lebenshaltungskosten zu hoch klettern. Vielleicht konnte eine Gesellschaft zu gesund sein, wie ein Hypochonder, der sich finanziell zugrunde richtet in dem vergeblichen Bemühen, eingebildete Krankheiten heilen zu lassen.
    »Charley«, fragte er Brand eines Tages, »welcher Prozentsatz des Nationaleinkommens ist im vergangenen Jahr für die Medizin ausgegeben worden?«
    »Therapie, Ausbildung, Forschung, Produktion oder Konstruktion?«
    »Alles.«
    »Moment mal – 15,6, 10,1, 12,9, 8,7 – das wäre – was gibt das?«
    »52,5«, sagte Flowers. In der Dunkelheit der Betonzelle wiederholte er die Zahl. »Unsinn«, murmelte er.
    Es war eine Ablenkung vom Grübeln, als er entdeckt, daß das Bandgerät lief. Er brauchte nur die Rückspultaste zu drücken, um die Identität seiner Widersacher zu entdecken.
    Er drückte auf die Taste und lauschte versunken den Stimmen Leahs, Russ’ und seiner selbst …
    Bevor das Band jedoch Leahs erschreckten Ausruf wiedergeben konnte, wurde die Tür aufgerissen, und ein blendendes Licht stach ihm in die Augen.
    Er drückte auf die Stopptaste und fluchte leise. Er hatte seine Chance vertan.
    »Wer sind Sie?« fauchte er.
    »Polizei«, sagte eine rauhe Stimme. »Haben Sie nicht Alarm gegeben?«
    »Tun Sie die Lampe weg«, sagte Flowers argwöhnisch. »Ich möchte Sie sehen.«
    »Aber sicher.«
    Das Licht flutete über dunkle Hosen, hellere Uniformröcke, glitzerte auf Dienstabzeichen, Gesichtern, Mützen.
    Einer der beiden Beamten kam ihm bekannt vor. Das war doch der Sergeant, dem er den Händler übergeben hatte?
    »Na«, sagte der Sergeant, »so trifft man sich wieder. Los, wir verschwinden wohl besser.«
    »Gewiß, aber wo ist die Ambulanz? Haben Sie sie gefunden? Haben Sie die Straßenräuber erwischt? Sind Sie –«
    »Moment mal.« Der Sergeant lachte. »Wir haben jetzt nicht genug Zeit, die Straßenräuber

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