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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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kommen sonst zurück, was, Dan?«
    »Und ob«, sagte Dan.
    Sie schritten lange, hallende Marmorkorridore entlang, die sich vor ihnen zu öffnen schienen, während das Licht in die Dunkelheit hineinstach. Sie erreichten eine große Halle. Auf beiden Seiten befanden sich drei doppelte, schwere Messingtüren. Eine davon stand offen. Dahinter war ein Lift. Flowers folgte den Beamten in den Aufzug. Der Sergeant drückte auf einen Knopf. Sie fuhren nach oben.
    Der Lift knarrte und klapperte und ächzte, bis Flowers sich fragte, ob sie es jemals schaffen würden. Das war das Geräusch, das er im Betonraum gehört hatte. Er lehnte sich müde an eine Wand und dachte: Ich habe Glück.
    In diesem Augenblick der Sicherheit fand er Zeit, an Leah zu denken. War die Blinde unverletzt? Und ihr Vater – was kam ihm an seinem Gesicht bekannt vor?
    Es erinnerte ihn an ein Bild, an die Zeit, als er im Sitz der örtlichen Medizinischen Gesellschaft durch die Halle früherer Präsidenten gegangen war. An den Wänden hingen Dutzende von Porträts in dunklen Ölfarben, alle mit ernsten Gesichtern und strengen Augen, die ihn zu verfolgen und ihm nachzurufen schienen: »Wir haben die große Tradition Äskulaps unverletzt, unbefleckt übernommen; wir geben sie so an euch weiter. Zeigt euch ihr gewachsen, wenn ihr könnt.«
    Eine reichlich grimmige Sache, dachte Flowers, diese Präsidentschaft der Medizinervereinigung. Keine Gelegenheit zum Lachen.
    Nein, das war falsch. Einer der Abgebildeten hatte ein schwaches Lächeln, die Andeutung eines Lächelns gezeigt, als wolle er beweisen, daß er die Sache nicht so ernst nehme wie der Maler. Flowers hatte sich neugierig vorgebeugt, um den Namen auf dem Messingschild zu lesen, aber er war ihm entfallen. Vor seinem geistigen Auge bückte er sich wieder und versuchte, die Erinnerung zu finden, die in seinem Gehirn eingezeichnet sein mußte. Er beugte sich näher, sah deutlicher. Er las den Namen:
     
    ›Dr. Russel Pearce
    Präsident, 1972–1983‹
     
    Russel Pearce – natürlich wie konnte er das vergessen haben? Der Entdecker des Elixier vitae, der Entwickler der Synthese, die seinen Namen trug – und jetzt starb er in einem abbruchreifen Haus inmitten der Stadt an hohem Alter.
    Dr. Russel Pearce – Russ – Leahs Vater.
     
4.
     
    Die Tür öffnete sich vor ihnen. Flowers trat zögernd in die Halle hinaus. Sie glich in jeder Beziehung derjenigen, die sie verlassen hatten.
    Zur Linken öffneten sich hohe Fenster auf die grauschimmernde Nacht. Die Morgendämmerung war nahe.
    »Wo sind wir?« fragte Flowers gereizt.
    »Im Rathaus«, sagte der Sergeant. »Kommen Sie mit.«
    »Was habe ich im Rathaus zu schaffen? Ich gehe nicht weg, bis Sie meine Fragen beantwortet haben.«
    »Hörst du das, Dan? Er geht nicht weg. Ob er die Wahrheit gesprochen hat? Sag Coke Bescheid, daß wir hier sind.«
    Der andere Polizeibeamte, groß und mit mürrischem Gesicht, verschwand durch eine Glastür am anderen Ende der Halle. Der Sergeant grinste und rückte auffällig seine Pistole im Halfter zurecht.
    Sie wird nicht mit Anästhesiesplittern geladen sein, dachte Flowers schauernd.
    »Sie haben kein Recht, mich hier gegen meinen Willen festzuhalten.«
    »Wer hält Sie gegen Ihren Willen fest?« fragte der Sergeant überrascht. »Wollen Sie weg? Bitte. Sie müssen natürlich unterwegs vorsichtig sein und darauf achten, daß Sie nicht über die Treppe hinunterfallen. Der Weg ist sehr weit.«
    Diese Entartung der polizeilichen Macht lähmte Flowers Willen. Der eingeschrumpfte kleine Mann, der mit Dan zurückkam, starrte Flowers nachdenklich an.
    »Der ist ja noch kein fertiger Doktor«, sagte er mürrisch.
    »Sollen wir vielleicht auch noch wählerisch sein?« beschwerte sich der Sergeant.
    »Na ja«, meinte Coke schüchtern. »Hoffentlich ist es so richtig. Kommen Sie mit.« Er winkte Flowers.
    »Nein!« fauchte Flowers.
    Die Hand des Sergeants zuckte hoch und traf Flowers klatschend ins Gesicht. Der Raum begann sich zu drehen. Flowers knickte in den Knien ein. Wut barst in ihm, färbte die Welt rötlich, und er richtete sich auf, riß die Arme hoch, um zu kämpfen. Dan hob grinsend den Fuß und stieß mit aller Kraft zu.
    Der Schmerz ließ alles verschwommen erscheinen, als Flowers auf dem Boden lag und sich krümmte. Langsam ebbte er ab; Flowers raffte sich mühsam hoch und entdeckte, daß der Sergeant den Arm um ihn gelegt hatte, um ihn zu stützen.
    »So«, sagte der Beamte gleichmütig, »jetzt sind wir aber

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