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Der Gamma-Stoff

Der Gamma-Stoff

Titel: Der Gamma-Stoff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Gunn
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sie ab, schnitten sie auseinander, ein lyophiliertes Transplantat, und pfropften die gesunde junge Arterie auf den Stumpf der alten; die Wundnaht-Maschine trat sofort in Aktion, bestäubte das freigelegte Gebiet mit Antibiotika, klemmte die Inzisionsränder zusammen und vereinigte sie mit einer schnellen, flachdrückenden Bewegung …
    Cassners Augen zuckten von dem Patienten auf dem Operationstisch zu den physiologischen Monitor an der Wand dahinter, nahmen mit einem einzigen Blick das komplizierte Zustandsbild des Patienten wahr: Blutdruck, Herzschlag, Atmung …
    Der Mikrochirurg sah die Gefahr als erster. Die Operation war vergleichsweise eine temporeiche Angelegenheit, und es gab Nachteile. Das zu behandelnde Gebiet hatte eine beachtliche Größe, und nicht einmal der Chlorpromazin-Promethazin-Dolosal-Cocktail und die Abkühlung vermochten den Schock ganz auszugleichen. Und das Herz war alt.
    Es erwies sich als unmöglich, die Instrumente schnell genug auf das neue Gebiet anzusetzen. Cassner nahm das Skalpell in die Hand und öffnete die Brusthöhle mit einem langen, sicheren Schnitt.
    »Herzmaschine«, sagte er mit seiner scharfen, hohen Stimme.
    Sie pumpte nach dreißig Sekunden, die Schläuche an die Aorta und die linke Vorkammer angeschlossen. Zwei Minuten später lag ein noch pulsierendes, neues Herz in dem alten Brustkasten. Cassner schloß die Arterien und Venen an. Zehn Minuten nachdem der Monitor das Herzversagen festgestellt hatte, zog Cassner das alte Herz heraus und hielt es in den Händen, ein totes Organ, ein verbrauchter Muskel. Erschöpft wies er seinen ersten Assistenten an, das Digitalis zu injizieren.
    Als die Brusthöhle geschlossen wurde, begann das neue Herz, kraftvoll Blut durch die Arterien zu pumpen.
    Cassner hätte Grund genug gehabt, die routinemäßige Arbeit seinem Assistenten zu überlassen, aber er beendete die Arterienüberpflanzung, bevor er sich abwandte, um den Umkleideraum zu betreten …
    Das war es, was die Spötter vergaßen – was man für sein Geld bekam, dachte Flowers: Die Geschicklichkeit, die Medikamente, die Instrumente. Ohne die moderne Medizin wäre der Mann auf dem Operationstisch zwanzig Jahre zuvor gestorben. Er war nicht übermäßig gesund. Wenn er noch kränker gewesen wäre, hätte er sterben müssen. Jetzt hatte er noch fünf bis zehn Jahre vor sich.
    »Das ist noch gar nichts«, sagte Mock. »Ich habe Smith-Johnson einen fünf Monate alten Fötus retten sehen. Das brachte mich auf den Gedanken: Warum?«
    Flowers schnitt eine verächtliche Grimasse. Er wußte warum: weil das Leben heilig war, jedes Leben, alles Leben.
    »Manchmal in der Nacht«, sagte Mock leise, »kann ich ihre Stimmen wimmern hören, gedämpft durch die Inkubatoren, alle die Vorzeitigen, die zu schwach zum Leben waren, die die Natur von sich stoßen wollte – die wir gerettet haben – für die Blindheit, die Krankheit und ständige Pflege. O ja, Cassner ist gut, aber ich frage mich, wieviel hat die Operation gekostet?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Warum fragen Sie nicht?«
     
    Flowers schauderte in der Dunkelheit, obwohl der Raum heiß war und schob die Hände in die Taschen. Er berührte seinen Gürtel.
    Er zuckte zusammen und wunderte sich, daß er nicht vorher schon daran gedacht hatte. Hastig drückte er auf den Alarmknopf.
    Es war eine Chance, und er mußte jede Chance ergreifen. Die Straßenräuber würden den Ambulanzmotor wohl abgestellt haben, nachdem das Fahrzeug irgendwo verborgen stand. Flowers sank wieder an die Wand zurück und erinnerte sich, wie er zum Verwaltungsbüro gegangen war. Man hatte seinen Namen verlangt, ihm aber die Rechnung gezeigt. Der alte Mann hatte eine Anzahlung von zweihunderttausend Dollar geleistet. Das Verwaltungsbüro hatte sehr gut kalkuliert. Die Gesamtrechnung belief sich auf einige hundert Dollar weniger.
    Er starrte auf die Spalte ›zu zahlen‹ mit ihren vier- und fünfstelligen Zahlen:
     
    Operationsraum 40 000 Dollar
     
    Nun ja, warum nicht? Die Herzmaschine allein hatte fünf Millionen Dollar gekostet, und das Gerät war das Wunderding des Mittelwestens gewesen, als man es konstruiert und gebaut hatte. Jemand mußte dafür bezahlen.
     
    Danach: Verpflegungskosten, Anästhesie, Laborgebühren, Röntgenaufnahmen, Gewebeuntersuchung, EKG, EEG, Metabolismusprüfung, Medikamente und Verbände, und an wichtigster Stelle die Preise für neue Organe und Arterien:
     
    Neue Arterien (1 Satz) 30 000 Dollar
     
    Neues Herz (1) 50 000

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