Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag
beste Medizin, zu meditieren.
Er seufzte. Wenn er zu sich selbst aufrichtig war, so mußte er zugeben, daß er auf Gott zornig war. Es war nur so sinnlos. Er hob die Augen zum Nachmittagshimmel, und ein einziges Wort entrang sich klagend seinen Lippen.
»Warum?«
Er senkte das Haupt und schlenderte den Weg hinunter. Die Lilien standen in der Frühlingsblüte, begrüßten das Leben.
So wie er im Begriffe war, es zu verlassen.
Die Ärzte hatten ihm gerade ihren gemeinschaftlichen Bericht geliefert. Seine Lebenszeichen wurden zusehends schwächer. Allerhöchstens sechs oder sieben Wochen hatte er noch.
Der Tod selbst war leicht, du lieber Himmel, er war eine Erleichterung! Das Leben war das Qualvolle. Qual oder nicht, er hatte noch nicht die notwendigen Kräfte gesammelt, sein Werk und das Roncallis fortzuführen. Er brauchte noch mehr Zeit, er brauchte die Autorität seines Amtes, um die auseinanderstrebenden Parteien einander näherzubringen. Warum konnte Gott das nicht begreifen?
>Wie, mein geliebter Herr? Warum? Nur noch etwas mehr Zeit? Ich verspreche Dir, ich werde nicht zulassen, daß mein Temperament mit mir durchgeht. Auch werde ich den
näselnden — verzeih mir, Allerheiligsten Vater — den Kardinal oder seine Bande vorsintflutlicher Diebe nicht beleidigen. Sechs Monate würden mir genügen. Dann will ich in dankbarer Hingabe in den Armen Christi ruhen. Fünf Monate vielleicht? In fünf Monaten könnte man so viel bewirken ... <
Giovanni bemühte sich mit ganzem Herzen, um eine himmlische Antwort wahrzunehmen. Aber wenn es eine gab, so war sie zu schwach, um zu seinem Bewußtsein vorzudringen.
> Vielleicht, lieber Vater, wenn Du mit der Heiligen Jungfrau sprechen würdest? Sie könnte eindringlichere Worte finden, um mein Anliegen zu übermitteln, meine Bitte ... Heißt es denn nicht, daß Frauen in solchen Dingen die bessere Überredungsgabe besitzen?<
Immer noch nichts. Nur ein schwacher Schmerz in seinen Knien, ein Schmerz, der ihm sagte, daß das Gewicht zu schwer auf seinen alten Knochen lastete und er sich für eine Weile setzen sollte. Wie hatte die reizende giornalista gesagt? Es gab da gewisse Übungen...
Basta! Das fehlte gerade noch, daß er Liegestütze machte und dabei zusammenbrach. Ignatio Quartze würde seine Leiche unter das Bett rollen, und sie würden ihn eine Woche lang nicht finden. Unterdessen würde Quartze die Kurie einberufen.
Der Papst erreichte seine Lieblingsbank und ließ sich vorsichtig auf den kühlen Stein sinken. Von den Gartenmauern kam eine Brise und ließ die Blätter des Baums über ihm rascheln. War das ein Zeichen? Erfrischend war es jedenfalls. Dann hörte die Brise auf, und er wurde wieder ganz ruhig. Und an die Stelle der raschelnden Blätter traten Schritte, die über den Plattenweg herannahten.
Es war der neue päpstliche Adjutant. Ein junger Negerpriester aus der Diözese New York, ein brillanter Student, der in Harlem viel Gutes getan hatte. Franziskus hatte sich einen solchen verdienstvollen jungen Prälaten ausgesucht — gegen beträchtlichen Widerstand. Es war ein kleiner Teil eines großen Planes.
»Eure Heiligkeit?« «
» Ja, mein Sohn. Du wirkst erregt. Was ist?«
»Ich glaube, ich habe etwas falsch gemacht. Ich war verwirrt, und Sie waren nicht in Ihren Gemächern, und ich dachte, ich hätte keine andere Wahl. Es tut mir sehr leid.«
»Nun, Wir werden das Ausmaß dieser Kalamität so lange nicht kennen, wie du es Uns nicht schilderst. Du hast nicht zufällig Kardinal Quartze in meinem Kleiderschrank gefunden und die Wache gerufen?«
Der Negerpriester lächelte. Ignatio hatte kein Hehl daraus gemacht, daß er die Berufung des jungen Mannes mißbilligte. Franziskus nahm jede Gelegenheit wahr, die Beleidigung zu mildern.
»Nein, Eure Heiligkeit. Ich hörte, wie Ihr privates Telefon klingelte. Das in der Schublade neben Ihrem Bett. Es hörte nicht auf zu klingeln ...«
»Das ist ganz einleuchtend, mein Sohn«, unterbrach ihn der Papst. »Es ist nicht mit der Telefonzentrale des Vatikan verbunden. Ein kleiner Luxus. Also hast du abgehoben. Wer hat denn angerufen? Die Nummer haben nur ein paar alte Freunde und ein oder zwei Kollegen. Mit dem, was du getan hast, konntest du keinen großen Schaden anrichten. Wer war es denn? «
»Ein Monsignore in Washington, Heiliger Vater. Er war sehr erregt ... «
»Ah, Monsignore Patrick Dennis O’Gilligan! Ja, der ruft häufig an. Wir spielen Fernschach miteinander.«
»Er war sehr aufgeregt — und
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