Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag
und eine Unmenge von Vermutungen und Gerüchten und nicht bewiesenen Andeutungen — im großen und ganzen war das alles Unsinn.
Wenn Hawkins ehrlich glaubte, er könnte aus diesen veralteten, unbestätigten Aufzeichnungen Geld schlagen — und aus welchem anderen Grund sollte er auf Vorschrift 775 bestehen? - dann bestand da keine Gefahr. Wenn man die
Inflation in Betracht zog und die reduzierte Pension, die er erhalten würde, und schließlich die Tatsache, daß er praktisch als unberührbar galt, so würde er es schon schwer genug haben. Und so war es eigentlich allen ziemlich gleichgültig, was er mit seinen alten Akten anfing. Außerdem — wenn es zu irgendwelchem Ärger kommen sollte, gab es da immer noch den Brief.
»Verdammt noch mal, es ist nett, wieder mal mit Ihnen zu reden, junger Mann.« MacKenzies Stimme klang am Telefon laut und begeistert und veranlaßte Sam, den Hörer vom Ohr wegzureißen. Zum Teil war die Geste auf die Lautstärke zurückzuführen, zum Teil auch auf nackte Berührungsangst.
Devereaux hatte den Hawk vor mehr als zwei Monaten in Kalifornien verlassen, gleich nach der Pressekonferenz in Travis. Sam war nach Washington zurückgeflogen. Er würde in knapp drei Tagen entlassen werden und hatte die Zeit damit verbracht, alle Schreibtischangelegenheiten abzuschließen, die jener glorreichen Stunde auch nur entfernt im Wege stehen könnten.
Hawkins war keine Schreibtischangelegenheit, aber seine bloße Anwesenheit war schon eine abstrakte Bedrohung. Prinzipiell.
»Hallo, Mac«, erwiderte Sam vorsichtig. Sie hatten zu Anfang des Prozesses in Peking auf ihre militärischen Titel verzichtet. »Sind Sie in Washington?«
»Wo sonst, Junge? Ich bin morgen wegen meiner 775 bei G-2. Wußten Sie das nicht?«
»Ich hatte ziemlich viel zu tun. Hier ist noch eine Menge zu erledigen. Es gab keinen Grund, mich über ihre 775 zu informieren.«
»Ich denke doch«, entgegnete der Hawk. »Sie werden mich geleiten. Ich dachte, das wüßten Sie.«
Plötzlich hatte Devereaux das Gefühl, als säße ihm ein riesiger Klumpen im Magen. Er zog geistesabwesend seine Schreibtischschublade auf und griff nach dem Maalox,
während er fragte: »Ich soll Sie geleiten ? Weshalb brauchen Sie einen Begleiter? Kennen Sie die Adresse nicht? Ich werde sie Ihnen geben, Mac. Ich habe sie hier. Bleiben Sie am Apparat. Sergeant ! Ich brauche die Adresse der G-2 -Archive. Bißchen fix, Sergeant !«
»Lassen Sie nur Sam«, tönte die besänftigende Stimme von MacKenzie Hawkins an sein Ohr. »Das ist nur eine Militärvorschrift, sonst nichts. Es gibt gar keinen Grund, sich darüber aufzuregen. Außerdem kenne ich die Adresse auswendig und Sie sollten sie auch im kleinen Finger haben, Junge — das ist Tatsache.«
»Ich will Sie nicht begleiten. Ich bin ein lausiger Begleiter! Ich habe mich in Kalifornien von Ihnen verabschiedet.«
»Dann können Sie mich beim Abendessen wieder begrüßen. Was sagen Sie dazu?«
Devereaux atmete tief durch. Er schluckte die Maalox-Pille und scheuchte die Dame vom Army-Frauenkorps davon, die ihm als Sergeant und Sekretärin diente. »Mac, tut mir leid, aber ich habe wirklich noch eine ganze Menge zu erledigen. Vielleicht gegen Ende der Woche, dann jederzeit — übermorgen. Um sechzehn Uhr, um es genau zu sagen.«
»Nun, Sam, ich dachte, wir sollten die G-2-Routine für morgen früh besprechen. Sie müssen dabei sein, Junge. So steht es in den Befehlen. Wir wollen doch nicht, daß dort drüben irgend etwas schiefgeht, oder? Jesus ! Dann würden die keinen von uns beiden rauslassen.«
»Wo wollen Sie denn mit mir zu Abend essen?« fragte Devereaux und schnitt eine Grimasse. Die Maaloxflasche war leer.
Sie werden mich geleiten. Ich dachte, das wüßten Sie ... So steht es in den Befehlen. Wir wollen doch nicht, daß dort drüben irgend etwas schiefgeht, oder?
Nein, das möchten wir ganz bestimmt nicht. Devereaux schüttelte den Kopf. Ein junges Paar in der nächsten Nische starrte ihn an. Er hielt inne und grinste ein wenig dümmlich,
worauf die zwei jungen Leute miteinander flüsterten und den Blick abwandten. Ihre Reaktion war klar — man wußte nie, wer als nächster verurteilt wurde.
Ein großer Mann kam durch den Torbogen herein und ging auf ihn zu. Jetzt war Sam an der Reihe, ihn anzustarren. Beeindruckt.
Es war der Hawk. Dessen war er sicher. Aber der große Mann, der sich höflich seinen Weg durch den überfüllten Raum bahnte, zeigte wenig Ähnlichkeit mit dem
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