Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag
Jahren hatte König ein ungeheuer gefährliches Spiel gespielt, auf brillante Art. Ein Spiel, das ihm nicht nur ein Vermögen eingetragen, sondern auch die Finanzierung und letztlich den Erfolg seiner verschiedenen geschäftlichen Unternehmungen gesichert hatte.
Auf dem Höhepunkt des kalten Krieges war König Doppelagent und Erpresser gewesen. Zunächst hatte er insgeheim Informationen über Agenten an beide Seiten weitergegeben und dann von Leuten, die eine Desavouierung fürchteten, Bargeld erpreßt, das aus den gegnerischen Abwehrkanälen kam. Bald lieferten ihm Dutzende von Ländern, die von dem wirtschaftlichen Wohlwollen der beiden Supermächte abhängig waren, exklusive internationale Steuervorteile für seine neuen Firmen. Am Ende zwang er Washington, London, Berlin, Bonn und Moskau mit der Eleganz eines Mephisto Erklärungen abzugeben, die seine Firmen von den gesetzlichen Vorschriften befreiten, die für andere Industrien galten. König schaffte dies, indem er jeder Seite erklärte, er würde andernfalls die jeweilige Gegenseite von den bisherigen Aktivitäten der ersteren verständigen.
Und dann trat König, zur großen Erleichterung vieler Regierungen, in den Ruhestand. Er hatte sein Imperium auf den niedergetrampelten Körpern — tot oder gelähmt —der halben bürokratischen und industriellen Bevölkerung Europas
und Amerikas aufgebaut. Er war unberührbar geblieben, und dies wegen des sehr realen Schreckens von kettenreaktionsähnlichen Repressalien. Welcher Bürokrat, welcher Untersekretär, welcher Minister oder Staatsmann (in der Tat, welcher Regierungsschef) würde schon den Zugang zu den Schrecken der Büchse Pandoras zulassen? Und so blieb König in seinem Ruhestand ebenso sicher wie während seiner glücklichen Tage heftiger Aktivität. Die Angst war der Knüppel, den König schwang.
Aber es gab weder Angst noch Knüppel, wenn ein Mann sich nicht um Reaktionen oder Repressalien scherte — ob sie nun von Regierungen, Industrien oder aus dem internationalen Bereich kamen. Und das war natürlich Hawkins’ Waffe. Es gab nämlich eine internationale Armee der Opfer, die schnell in Marsch zu setzen war, wenn sie nur sicher sein konnte, dies ungestraft tun zu können. Wenn jeder erkannte, daß die Sünden seiner Vergangenheit allen anderen bekannt waren. Völlige Bloßstellung — das war die Drohung, mit der Mac arbeitete.
König würde ohne Zweifel die Logik dieser Methode erkennen. Das Fehlen dieser Logik war es gewesen, das ihm sein Vermögen garantiert hatte. Er konnte sich vorstellen, welche Auswirkungen ein paar hundert ausführliche Telegramme haben würden, die gleichzeitig an einige hundert Machthaber in der ganzen Welt abgesandt würden. O ja. König würde überzeugt sein, sobald man ein Sperrfeuer von Namen, Daten und Aktivitäten vor ihm herunterklapperte. MacKenzie nahm die Fotokopien, sorgte dafür, daß die einzelnen Stapel in der richtigen Reihenfolge blieben, und trug sie zu dem niedrigen Tischchen vor der Couch. Er setzte sich und begann, mit Rotstift auf jeder Seite zwei oder drei Spalten anzustreichen.
Alles lief wunderschön. Er brauchte nur seine Fähigkeiten und die logistischen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen, die ihm zur Verfügung standen, und zur Wirkung zu bringen. Es galt einfach, Inventur zu machen. Er ging mit den Kopien zum Schreibtisch und ordnete die Papiere
sorgfältig vor dem Telefon. Er war bereit, ruhig und leidenschaftslos eine Liste internationaler Verfehlungen vorzutragen, die selbst einem Dschingis Khan die Schamesröte ins Gesicht treiben würde.
Heinrich König würde sich von zehn Millionen Dollar trennen.
Mit Augen, die von der Erschöpfung schwarz gerändert waren, ging Devereaux am Berliner Tempelhof-Flughafen durch den Zoll, voll und ganz darauf vorbereitet, daß der wichtigtuerisch knurrende Neonazi, der sich seine Papiere und das Gepäck ansah, ihm einen Stempel auf die Stirn drückte. Herrgott, dachte er, man brauchte einem Deutschen bloß einen Stempel zu geben, und schon drehte er durch.
Einmal starrte er verblüfft den Inhalt seines eigenen Koffers an. Alles war sorgfältig zusammengefaltet und geordnet, so als hätte Bergdorf Goodman ihm beim Packen geholfen, und er packte seine Koffer einfach nicht so. Dann erinnerte er sich wie im Nebel, daß Anne alles erledigt hatte. Sie hatte nicht nur für ihn gepackt, sondern ihn sogar zur Kasse begleitet und ihm geholfen, seine Rechnung zu begleichen. Alles das hatte sie getan,
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