Der Gandolfo-Anschlag - Ludlum, R: Gandolfo-Anschlag
kein Wasser, bis wir landen ! Das ist das Wort von Arafat!«
Und in den tiefsten Tiefen von Sams Unterbewußtsein flüsterte eine leise Stimme: >Die haben dich am Arsch, Baby.‹
15.
Der Regisseur zuckte zusammen, zwei Violinen und drei Hörner hatten während des Crescendo von >Musettas Walzein‹ gepatzt. Das Finale des Akts war beim Teufel. Zum wiederholten Male!
Er machte sich eine Notiz für den Dirigenten, der, wie er sehen konnte, verzückt lächelte und offenbar die Dissonanz nicht bemerkt hatte. Verständlich — der Mann war praktisch stocktaub.
Als der Regisseur aufblickte, sah er, saß der Beleuchter wieder eingeschlafen war. Vielleicht war er auch austreten gegangen. Zum wiederholten Male. Der Scheinwerferkegel war nach unten gerichtet, völlig reglos, in das Orchester — auf einen verwirrten Flötisten und nicht auf Mimi.
Er machte sich eine Notiz.
Auf der Bühne selbst gab es eine weiteres Problem. Zwei Probleme. Die Pendeltüren, die in das Café führten, waren verkehrt herum eingehängt worden, mit dem V-förmigen Ausschnitt nach unten, so daß die Zuschauer hinter die Szene sehen konnten, wo jetzt zahlreiche nackte Füße abgerieben wurden und mehrere Schauspieler sich gelangweilt kratzten. Das zweite Problem war die Treppe auf der linken Bühne. Sie hatte sich gelöst, so daß Rodolfos Fuß ins Leere trat, was dazu führte, daß seine Strumpfhose bis zum Schritt aufplatzte.
Der Regisseur seufzte und machte sich zwei weitere
Notizen. Puccinis La Bohème wurde von der Truppe wie üblich malträtiert. Managgia!
Nachdem er drei Ausrufezeichen hinter seine sechsundzwanzigste Notiz gesetzt hatte, kam der Assistent des Direktors an sein Pult und reichte ihm einen Zettel.
Er war für Guido Frescobaldi bestimmt, und da jede Abwechslung der Tortur vorzuziehen war, sich den Rest des Akts anzusehen, faltete der Regisseur das Papier auseinander und las die wenigen Zeilen.
Dann stockte ihm unwillkürlich der Atem. Der alte Frescobaldi würde einen Anfall bekommen — wenn es Guido überhaupt möglich war, einen Anfall zu bekommen. Im Zuschauerraum war ein Zeitungsreporter, der sich mit Frescobaldi nach der Vorstellung treffen wollte.
Der Regisseur schüttelte traurig den Kopf und erinnerte sich lebhaft an Guidos Tränen und Proteste, als der letzte (und einzige) Reporter ihn interviewt hatte. Es waren sogar zwei Reporter gewesen — ein Mann aus Rom und ein allem Anschein nach stummer chinesischer Kollege. Beides Kommunisten.
Aber das Interview war es gar nicht gewesen, das Frescobaldi so verstimmt hatte, sondern der Artikel, der daraus entstanden war.
>Verarmter Opernkünstler müht sich um Kultur des Volkes ab, während sein Vetter, der Papst, in Luxus und vom Schweiß der unterdrückten Arbeiter lebt!<
So hatte der Artikel begonnen. Auf der Titelseite der kommunistischen Zeitung Lo Popolo war er erschienen. Er hatte im weiteren Verlauf herausgearbeitet, daß infolge gründlicher Recherchen der Popolo- Journalisten, die stets über die unheilige Allianz des Kapitalismus mit der bösen organisierten Religion wachten, die krasse Ungerechtigkeit ans Licht gekommen war, die diesem Verwandten des mächtigen und despotischsten religiösen Führers der Welt zugemutet wurde. Diesem armen Mann, der dem Papst zu allem Überfluß noch so verblüffend ähnelte. Man schilderte, wie der eine, Guido Frescobaldi, seiner Kunst Opfer
brachte, und wie sein Vetter, Papst Franziskus, in Saus und Braus lebte. Wie Guido sein großes Talent den Massen widmete und nie materiellen Lohn suchte — befriedigt, weil seine Leistung den Geist des Volkes den Höhen der Kunst entgegenführte, so ganz und gar unähnlich seinem Vetter, dem Papst, der überhaupt nichts leistete, sondern nur stets nach neuen Methoden suchte, um den verängstigten Armen das Geld abzuknöpfen. Guido Fescobaldi erschien wie ein irdischer Heiliger, während sein Vetter zum Schurken gestempelt wurde, der in den Katakomben, umgeben von seinen Schätzen, Orgien feierte.
Der Regisseur wußte nicht viel über Guidos Vetter oder das, was der in seinen Katakomben tat, aber er kannte Frescobaldi. Und der Reporter des Popolo hatte ein Porträt gezeichnet, das in einem gewissen Gegensatz zu dem Guido stand, den sie alle kannten. Aber dieser Guido war es, von dem die Welt außerhalb Mailands las. Lo Popolo verkündete in einem redaktionellen Beitrag, daß die erschütternde Geschichte in allen sozialistischen Ländern, China eingeschlossen, abgedruckt werden
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