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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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Mickey Rooney?«
    »William Holden. Kommst du mit?«
    »Bei soviel Blödsinn könnte ich nicht stillsitzen. Opium fürs Volk. Aber ich komm ein Stück mit.«
    »Und zahlst uns den Eintritt.«
    »Wenn ihr kein Geld für den Kintopp habt, solltet ihr nicht U-Bahn fahren.«
    »Für den Film reicht’s, aber nicht für Popcorn.«
    »Dann kauf ich euch Popcorn. Wenn Rose mitkriegt, dass ich euch über den Weg gelaufen bin, hab ich dann wenigstens nur entfernt mit William Holden zu tun – ich hab euch nur was zu essen gekauft. Ich habe euch eine Mahlzeit verschafft und euch empfohlen, eure Bekanntschaft mit der Linie 7 wieder aufzuwärmen, was ich, nur fürs Protokoll, nämlich gerade tue.«
    Während sich Lenny in die Illusion der Fürsorgepflicht für das Mädchengespann hineinsteigerte, wusste er doch, dass es genau daswar – eine Illusion. Miriam musste es offenbar gestattet werden, eine kurze Beatnik-Phase durchzumachen.
    Mit dreiundzwanzig, vierundzwanzig und fünfundzwanzig gönnte Lenny sich den Luxus des Glaubens, dies wäre die Zeit ihres schrägsten Verhältnisses. Ein Achtjähriger konnte ein Baby lieben, klar – es war verrückt, aber nicht zu leugnen, und nichts kam dem in die Quere, weil es verrückt und ein Geheimnis war. Auch ein Vierzehnjähriger konnte eine Sechsjährige lieben, weil nicht nur sie noch in der sexuellen Latenz geborgen war, sondern er eigentlich auch, ungeachtet der klebrigen Bettlaken und des heimlichen Onanierens. Ein Vierzehnjähriger wusste noch gar nicht richtig, warum er onanierte. Ein erwachsener Vetter – zweiten Grades; darauf legte Lenny Wert – konnte seine erwachsene Kusine heiraten. Wenn sie etwa achtundzwanzig und zwanzig waren. Solange würde er warten. Aber ein weltgewandter Drei- oder Fünfundzwanziger konnte keinen frischbrüstigen Halbling lieben, der noch durch alle möglichen Teenager-Rituale der Selbstwerdung stolperte. Lenny ging davon aus, dass ihnen beiden das klar war, dass sie es aber nicht aussprechen konnten und dieses ganze Gebiet daher in einer Abwehrreaktion meiden mussten. Die Beziehung zwischen Vetter und Kusine wurde zwangsläufig ironisch, ätzend, sporadisch. Das würde vergehen.
    In diesen Jahren hatte Lenny manchmal Rendezvous.
    Ein paarmal reiste er in die 125th Street und ließ sich die Flinte putzen.
    Lenny kaufte sich für einen Dollar den maßgeschneiderten Anzug aus der Garderobe eines Mannes, der angeblich vor Kummer gestorben war.
    Nachdem sich Lenny beim Fässerschleppen erstaunlich unbegabt gezeigt hatte, wurde er bei Real’s Radish & Pickle gefeuert.
    Nachdem sich Lenny als der in fünf Stadtbezirken führende autodidaktische Experte in Sachen Unterscheidungsmerkmale US-amerikanischer Münzen gezeigt hatte, den Abweichungen der verschiedenen Prägestätten und den berichtigenden Nachprägungen des gönnerhaftenSilver Eagle und der niederen Buffalo Nickels und Lincoln Cents, und nachdem er gelernt hatte, den Drang zu unterdrücken, arrivierte Münzmänner, die über ihr eng umgrenztes Steckenpferd hinaus nichts interessierte, über die politischen und philosophischen Implikationen eben dieses Steckenpferdes zu belehren, machte er sich am Verkaufstresen von Schachter’s Numismatics an der 57th Street nach und nach unentbehrlich. Nach der Investition, drei Jahre lang am Tresen herumgelungert und gekiebitzt zu haben, wurden ihm endlich widerwillig genug Stunden als Gutachter von Sammlungen zugestanden, dass er in der Packard Street seine Miete zahlen konnte und nebenher noch Zeit zum Schachspielen fand.
    Als er eines Abends mit einem gleichaltrigen Mädchen fummelte, das er mit der Aussicht auf ein noch unangebrochenes Zigarettenpäckchen von der Party in einer Wohnung über der Wäscherei an der Greenpoint Avenue nach draußen gelockt hatte, stoppte das Mädchen ihn und sagte: »Du erkennst mich gar nicht, stimmt’s?«
    »Wie heißt du denn?« Eine Hinhaltetaktik. Sie hatte hochtoupierte schwarze Haare, einen hübschen Körper, der ihn wahnsinnig gemacht hatte, und Nase und Lippen, die ihr fast aus dem Gesicht tropften; Gesichtszüge, die Jahre älter waren als die Figur, die ihn quer durch den Raum in den Bann gezogen hatte, als er auf dem kalten Heizkörper saß. Wahrscheinlich war das Gesicht ihrer Mutter vor der Zeit auf ihrem angekommen – Grund genug, den hell erleuchteten Raum zu verlassen und auf die dunkle Straße hinauszugehen. Und jetzt wurde von ihm verlangt, sich auf das Wiedererkennen zu konzentrieren. Er kniff

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