Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)
und konzentriert die Stirn, wurde aber ähnlich ignoriert wie an dem Abend, als Lenny ihn im Dreck der Blumenbeete seiner Eltern angetroffen hatte, am Abend, als der Kommunismus starb. Es war, als könnte nur Lenny ihn sehen; ein imaginärer Freund.
Ein anderer Schlagmann übernahm von Altman. Roy McMillan, der alte Shortstop. So konnte das vielleicht funktionieren. Ein Veteran wie McMillan war quasi ein Scout im Trikot und konnte die Sache einschätzen. Ein Schlagmann konnte den Jungen auf dem Pitcherhügel nicht einfach ignorieren, wozu der Rest der Welt anscheinend fest entschlossen war.
»Wie lange will er denn noch?«, fragte der Trainer träge, nachdem McMillan vielleicht fünfzehn Parallelbälle geschlagen hatte.
»Was meinen Sie?«
»Ganz wie Sie wollen.«
»Das Testspiel ist vorbei?«
»Testspiel?«
»Deswegen sind wir doch hier.«
»Anweisung aus’m Büro, Ihren Sohn beim Schlagtraining ein bisschen werfen zu lassen. Als Gefallen von Bill Shea, hab ich gehört.«
Und so ging Heumans Karriere auf dem Pitcherhügel am Tag der Düsenjets am Himmel den Bach runter. Sein Tag an der Sonne. Der Junge aus Sunnyside Gardens hatte mal beim Schlagtraining der Amazins geworfen. Ein Jammer, dass Lenny keine Kamera mitgebracht hatte. Ohne fotografischen Beweis verflüchtigte sich der Augenblickins Reich der Legende; auf Nachfrage erzählte der Zahnarzt vielleicht später davon, sonst aber nicht. Er motzte die Sache nicht auf – ich hab nie für Kranepool geworfen, nein, für Choo Choo Coleman auch nicht, nein, erläuterte er geduldig, auch nicht für Art Shamsky. Der gehörte damals noch gar nicht zur Mannschaft. Er erzählte ohne Enttäuschung, seine Hingabe an die National League blieb unerschütterlich, und auch der Zahnarzt blieb ein Fan, aber für spätere Besuche in Sheas Stadion musste er Eintritt zahlen.
Lenny war da anders. Die Mets sahen nie auch nur einen Liberty Dime aus seiner Tasche. Bei ihm bestand kein Bedarf an dieser Mannschaft konfabulierter Liebenswerter Loser. Er kannte zu viele echte, die sich vor Liebe verzehrten.
Der Greenroom. Der junge Produktionsassistent der NBC, der Miriam Gogan begrüßt, als sie aus dem Fahrstuhl in Studio 6A des Rockefeller Center tritt, ist eindeutig ein Kryptofreak, seine Augen drehen sich über einem Knebelbart und jugendlich weichen roten Lippen wie Feuerräder, als er sich freudig durchschaut sieht. Miriam geht davon aus, dass das Erkennen wechselseitig ist, denn sie hat ihre schulterlange krause Mähne zwar zu einer sauberen Festung hoch über ihrem Nacken getürmt, aus den Tiefen ihrer Garderobe den kanarienvogelgelben Trainingsanzug ausgewählt, in dem sie eigentlich nur auf Bürgerforen, in Verwaltungszusammenhängen und bei Kautionsfestsetzungen auftritt, dazu unauffällige Jade-Ohrringe und ein mal nicht so klotziges Silberhalsband angelegt, aber ihre pottvernebelten »Sehr bedröhnt, Sie kennenzulernen«-Pupillen lassen sich mit einem solchen Spießerkostüm mittags um eins wohl kaum verstecken. Der Assistent lädt sie in den »Greenroom« ein, den Aufenthaltsraum der Sendung, und erinnert sie unterwegs daran, dass heute zwar Dienstag ist, sie aber schon die Donnerstagsfolge vom Wer-Was-oder-Wo-Spiel drehen – oder wohl schon abgedreht haben –, der Quizsendung, für deren Freitagsfolge Miriam Gogan als Kandidatin ausgewählt worden ist. Sie drehen – das erklärt er ihr, während sie am Empfang vorbeigehen, durch Glastüren hindurch und einen Korridor entlang –, sie drehen die Folgen grüppchenweise, zwei am Montag und dann drei am Dienstag, damit Art James, der Moderator, nicht mehr als zwei Tage arbeiten muss, um die Folgen einer Woche unter Dach und Fach zu bringen. Dadurch spart man auch Hotelnächte für die Champions der Folge,die auch am Tag nach ihrem Sieg in der Runde sitzen und bis zu eine Woche dabei bleiben können, bevor die Show am nächsten Montag dann drei neue Kandidaten ins Rennen schickt. Wenn sie sich also beeilen, kann Miriam drinnen am Videobildschirm noch die letzte Donnerstagsrunde verfolgen – »Pot Limit« im Jargon der Sendung – und das Spiel des Siegers beurteilen, mit dem sie es zu tun haben wird, wenn sie an die Reihe kommt. Der andere neue Spieler, Miriams künftiger Gegner, wartet auch schon im Greenroom, aber laut dem Assistenten ist der nicht besonders furchteinflößend – ein Buchhalter, ein Nichts. Eher schon sollte sie sich wegen des absehbaren Siegers von heute Sorgen machen: Peter
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