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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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einzige, noch dazu voll einsehbare Toilette hatten nutzen können, und zwar stolz, und weil sie die geteilte Solidarität erfahren hat, die einzige Nahrung zu verweigern, die ihnen in dieser Zeit angeboten worden ist. Die Wachen brachten ihnen Sandwiches mit Fleischwurst, und die dreizehn Gefangenen, die weniger trotzig waren, als dass sie sich wie Backfische aufführten, zogen den Aufschnitt von dem pappigen Weißbrot und klebten das glitschige Zeug an die glänzenden grauen Zellenwände, wo es haften blieb. Ein paar Scheiben schälten sich ab und klatschten auf den Boden, bevor die Gefangenen ihre Zelle wieder verließen, aber die meisten blieben kleben, Fleischgraffiti. Politische Statements aus tierischen Produkten, Bindemitteln, Salz und Enzymen.
    Natürlich haben ihre Brüste auch in der Arrestzelle die ganze Zeit Milch abgesondert, und auf der Rückfahrt im schwarzen Dodge von Stella Kims Hippiefreund mit der auf die Motorhaube gemalten klobigen Faust, wo Stella und sie sich auf dem Rücksitz aneinandergekuschelt, gekifft, ein riesiges Frikadellensandwich verschlungen, gekichert und gedöst haben, hat Miriam Stella die Katastrophe ihres durchweichten BHs unter dem T-Shirt gezeigt und erzählt, wenn niemand hinsah, hätte sie sich die Brüste in der Zelle immer mit dem groben Toilettenpapier abgetupft.
    »Scheiß auf die Fleischwurst-Sandwiches, du hättest uns alle stillen können«, sagte Stella.
    »Du bist widerlich.« Man könnte Miriam für die perfekte Lesbe halten, und ein paarmal hat sie auch geflachst, sie bedaure es, auf dem Gebiet nicht mehr unternommen zu haben, aber in Wahrheit stößt sie an diesem Punkt an ihre Grenzen. Und Brüste findet Miriam besonders widerlich. Sie erinnern sie an den Körper ihrer Mutter.
    Was sie im Gefängnis heimlich am meisten ausgekostet hat, aber nicht einmal Stella Kim anvertrauen könnte, hat nichts, aber auch gar nichts mit Pornophantasien über Liebe im Frauenknast zu tun, sondern mit dem, was es mit ihrem jetzigen Ausflug zum Rockefeller Center hoch verbindet: Zeit ohne ihr Kind. Ein nicht verhandelbarer Zeitraum, für dessen Dauer sie Sergius Tommy übergeben und für ein paar Stunden die autonomen Konturen ihres eigenen Selbst zurückgewonnen hat. Einfach mal eine Verschnaufpause von der unaufhörlichen Bemutterung des Jungen, der Klaustrophobie der Mutterliebe, eine Freiheit, nach der sich Miriam in einem Ausmaß sehnt, das sie sich selbst kaum eingestehen kann. Und als sie im Gefängniskorridor dann die Gelegenheit zu ihrem Telefonanruf bekam, rief sie Rose an. Und sagte, fahr mit der Subway zu Tommy und hilf ihm. Und ließ alles andere ungesagt, weil es so augenfällig war wie die Fleischwurst an der Wand. Geh und kümmer dich um mein Kind, du Organisatorin, du Umstürzlerin, du untypische und ambivalente Mutter. Ich sitz nämlich im Knast. Du Kommunistin, die Cops liebt, schau dir an, was ichgetan hab. Ich sitz im Knast, wo du mich hingetrieben hast. Ich bin im Namen deiner Überzeugungen gegangen. Du hast gegen Hitler protestiert und meinen Kopf in den Gasherd gesteckt, jetzt kümmer dich gefälligst um mein Kind, ich sitz nämlich im Knast.
    Heute stellt Miriam fest, dass ihre Lebensgeschichte umgeschrieben worden ist. Art James sagt: »Miriam Gogan lebt in Manhattan, New York. Sie ist Ehefrau, Mutter und engagiert sich für die Gemeinschaft – willkommen in der Show. Wissen Sie, als ich klein war, hat sich meine Mutter auch für die Gemeinschaft engagiert – die Gemeinschaft von meinem Bruder und mir, denn sie musste organisieren, dass wir täglich zur Schule gingen, und glauben Sie mir: Einfach war das nicht.«
    —
    Americana: Songs der 1890 er. Die erste Kategorie bietet kaum Anreize. Als Kennerin der Show weiß Miriam, dass sie in solchen Augenblicken am besten die »Wer«-Frage wählt, das Reich menschlicher Identitäten, in dem sie sich am meisten zu Hause wähnt, am ehesten seltene Tatsachen ans Licht holen kann, und so entscheidet sie sich dafür trotz der höheren Quoten auf der Programmtafel und setzt dreißig Dollar. Graham Stone, der sich für eine »Was«-Frage entschieden und ebenfalls dreißig Dollar gesetzt hat, kommt als erster dran. Art James liest von seinem Kärtchen ab: »Ein für die 1890er typischer Song zieht einen Vergleich zwischen einem Mädchen und einem gefangenen Vogel; wo befindet sich das Mädchen dem Songtitel zufolge?«
    Im goldenen Käfig, denkt Miriam, und auch Stone trifft den Nagel auf den Kopf. Eigentlich sollte

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