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Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
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alles, was sie an Herkunft etwa noch mitbrachten, von Ontarios Wintersonne ausgelaugt.
    Mit dem Sprung in die kanadischen Provinzen streifte man die Abstammung aus europäischen Kümmernissen nicht etwa zugunsten der großen unzivilisierten Verführungskraft und Unergründlichkeit der Staaten ab. Sondern man ließ sich in einer Kühlzone nieder, an einem Ort, an dem sich Erinnerungen und Trauer in der fröhlichen Toleranz des anglophonen Kanada blanchieren ließen. In der Neuen Welt, in der Ihre Majestät einen noch von den Geldscheinen anblinzelte, wenn man den Lohnscheck einlöste. Vielleicht eine Funktion des Verhältnisses von Menschen zu Bauholz, zur Fläche, wenn unmäßige Mengen an letzteren vorhanden waren, aber eine unheilbare Knappheit an Ersteren bestand. So dass die, die diese Weiten besiedelten, sich im Streben nach Solidarität und Wärme anscheinend größtenteils an die Südgrenze der jungen Nation kuschelten, auch wenn man sich unbeliebt machte, wenn man darauf hinwies.
    Tommys heimlicher Fluch, obwohl er das damals kaum als Fluch angesehen hätte, war, dass er bei der Atlantiküberquerung kaum glaubwürdigenKummer mitgebracht hatte. Er hatte nicht mal anständig Dresche bezogen. Ihr Vater hatte für seine drei Söhne nur ein einziges mal eine Tracht Prügel aufgebracht, einfach um anzudeuten, welche Tyrannei hinter der Anständigkeit der Geoghans aus Belfast stand, und die hatte Peter mit sieben Jahren abbekommen. Tommy Geoghan war unter den verwickelten Zukunftsaussichten des Ulsters der Nachkriegszeit groß geworden, und mit sechzehn hatte er sich die Aufnahme in die Royal Navy erschwindelt, selbst wenn er dann nie an Bord eines Schiffs gegangen war, dem das Land hinter dem Horizont versunken wäre. Auch dort hatte er nie eine Tracht Prügel bezogen und war auch nie Zeuge einer solchen geworden. Erhielt seinen Abschied nach einer Dienstzeit, in der er Karten gespielt, Conrad Aiken, A. E. Housman und sechs Monate alte Zeitungen gelesen, ein bisschen gekocht und das Gitarrenspiel gelernt hatte. Dann war er seinen singenden Brüdern nach Toronto gefolgt, aber kaum war er angekommen, machten die sich aus dem Staub, weil sie in New York City ihr Glück suchen wollten.
    Obwohl er fast zwei der besten Jahre seines jungen Mannesalters in Toronto verbrachte, konnte Tommy sich an praktisch nichts aus dieser Zeit erinnern, abgesehen von seinen schmerzenden Maurerarmen und dem Kratzen des dünnen Feierabendbiers. Hauptsächlich verbrachte er diese Zeit damit, die Tatsache und den Geschmack von Ulster zu vergessen. Zwei Jahre, um Ulster zu vergessen, und dann fünf Minuten nach dem Aussteigen aus dem Zug an der Pennsylvania Station, wo er von der Lebendigkeit seiner neuen Stadt umgehauen wurde, dann fünf Minuten, um die Vorstädte von Toronto und die Namen seiner Kollegen bei Mrs. Powell zu vergessen, dünne Gedächtnisfetzen, nach denen er jetzt scharrte und buddelte, immer auf der Suche nach Stoff.
    Denn Stoff war natürlich das, was man dankbar hinter sich gelassen hatte.
    »Brickies of Ontario«
    »We Should Have Made a Union (But Made a Disunion Instead)«
    »Mrs. Powell’s Breakfast Admonition«
    Nein, dachte er, als er jetzt in seinem Zimmer im Chelsea neben dem überquellenden Aschenbecher und der verwaisten Gitarre auf dem Bett saß, nicht weit genug weg vom winzigen Hotelschreibtisch, auf dem sein aufgeschlagenes Notizheft lag, in das er nichts als diese absurden Songtitel gekritzelt hatte, die sein Tagwerk ausmachten, nein, das war nur das Leben gewesen, das er in der Spanne einer einzigen Zugfahrt abgestreift hatte. Er hatte es schon an den Niagarafällen abgestreift, wo er aus dem Zug geholt worden war und den Einwanderungsbeamten seinen Pass und einen Brief seines ältesten Bruders Peter zeigen musste.
    Sein früheres Leben als Sohn eines Schiffsbauers, als Junge in Ulster, war das Leben, das von A bis Z gefälscht worden war, nachdem er angekommen und seinen Namen unter den Vertrag des Managers gesetzt hatte, wobei der Füllfederhalter kurz stockte, als es die überzähligen Buchstaben in »Geoghan« wegzulassen galt. Warren Rokeach, ihr Manager, ganz wie versprochen ein Jude im Rollkragenpullover, gab aus tiefer Kehle ein befriedigtes Knurren von sich, weil sein Franchiseunternehmen expandierte. Tommy zog die Brokatweste an, setzte die Schiffermütze auf, stieg in die Kordhose und auf die Schwafelbühnen des Gate of Horn und des Golden Spur und beugte sich zum Mikrophon, um mit den guten

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