Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition)

Titel: Der Garten der Dissidenten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Lethem
Vom Netzwerk:
du nimmst besser den ersten Flieger zu uns runter, hier steigt nämlich eine halbwegs anständige irische Harmonienummer, bei der die Beatnik-Mädels im Moment alle klitschnasse Höschen kriegen, und das ist mehr, als der gute Bruder Pete und ich allein je gebacken kriegen könnten. Jeden Abend fragen wir uns, warum das Schicksal es gewollt haben sollte, dich von dieser Gunst der Stunde auszuschließen, und wie lang diese Stunde wohl dauern mag. Vergiss jetzt bitte mal die Ziegelsteine. Vergiss Kanada. Und vergiss den Blues aus dem Delta. Du bist ein beglaubigter Primitivling aus der Grafschaft Antrim, oder jedenfalls wirst du das sein, wenn du erst hier bist. Wir haben dir eine Brokatweste schneidern lassen und unseren Manager benachrichtigt – ganz recht, guter Bruder Thomas, ich habe Manager gesagt, und das ist ein schräger jüdischer Vogel im Rollkragenpullover –, dass unser erster Plattenvertrag Platz für die Unterschriften von drei Gogan-Brüdern haben sollte (Rye buchstabierte den Namen extra: » G-O-G-A-N , nicht mehr Geoghan, man hat uns geraten, ihn zu vereinfachen«), denn wir haben einen dritten im Bunde, und er hat eine hohe, liebliche Stimme, die unsere Harmonien ergänzt, und nimmt nur zufälligerweise gerade eine Auszeit. Aye, ich hab denen gesagt, du würdest eine Auszeit nehmen, Tommy, man braucht einfach eine gewisse Flexibilitätin Wahrrrrheits fragen, ich habe behauptet, wir wären immer ein Trio gewesen. Wenn du findest, ich würde so komisch sprechen, Tommy, shite , dann solltest du mal sehen, wie schnell du komisch sprechen wirst, wenn du siehst, wie das auf die lassies mit ihren Baskenmützen und Sonnenbrillen wirkt. Hier ist nämlich nur ein Dylan Thomas unterwegs gewesen, was natürlich nicht ausreicht, und so wie der am Ende drauf war, hat er den alten, schamroten Johannes garantiert nicht mehr hochbekommen, und darum hat der arme Mr. Dylan Thomas seine weibliche Anhängerschaft ein winziges bisschen unbefriedigt zurückgelassen. Darum sollten wir ernten, was er gesät hat. Errrrnten , hab ich gesagt, Bruder. Denen rutschen nämlich schon beim ersten Blick die Schlüpfer runter.
    Nein, bei solchen Aussichten konnte man Rye nichts abschlagen, und wer hätte das auch gewollt? Sicher nicht der zwanzigjährige Maurer in Toronto – geboren und aufgewachsen in Ulster, das schon, aber es gab sowieso nur wenige Kanadier, die keine Staatsbürgerschaften aus anderen Weltregionen mit sich herumtrugen, ob diese ihnen nun leicht oder schwer wurden. Sicher nicht dieser Maurer, der sich während des Anrufs an die Mauer neben dem Telefon im Korridor von Powell’s Residence for Men im Nordosten von Toronto lehnte, einer vornehmlich schottischen Vorstadt in diesem Mosaik aus Vorstädten, wo die stirnrunzelnde kanadoschottische Vermieterin zu ihrem Verdruss hatte feststellen müssen, dass sie Herbergsmutter eines frischen Kontingents irischer Maurer geworden war, dem auch er angehörte, und sie war keineswegs eine freundliche oder nachsichtige Herbergsmutter, schon gar nicht, wenn es um Paddys ging. Als er hier in ihrem Korridor stand und mit den vom Mörtelauftragen und -verfugen schwieligen und rissigen Knöcheln und Fingerspitzen den schweren Hörer hielt, bezweifelte er, dass er nach dem Abendessen noch nach seiner Silvertone greifen würde. Selbst wenn er bereit war, die zischende Missbilligung von Mrs. Powell über sich ergehen zu lassen, die durch die Balken in das Zimmer dringen würde, das er sich mit George Stack teilte, sobald ihrer beider Stimmen im harmonischenWohlklang eine bestimmte Lautstärke überschritten, die von ihr allein festgelegt wurde. Er hatte oft den Verdacht, dass Mrs. Powell an der Tür lauerte und nur darauf wartete, soviel Lust schien ihr das zu bereiten.
    Von seinem Kumpel George Stack abgesehen, fielen Tommy die Namen der anderen Maurer und Handlanger bei Mrs. Powell nicht mehr ein. Soweit er wusste, wohnten und arbeiteten sie immer noch dort, wo er sie letztmals gesehen hatte, ein versprengtes Grüppchen junger Protestanten aus dem Norden, die, als Gruppe gesehen, kraft des Briefs eines Onkels oder dank dem freundlichen Tipp eines ameisenhaften Typen im Arbeitsamt einer Siedlung als Arbeitslose galten, die man gemäß Nationalität und Konfession bestimmten Berufen zuordnete. Und so war es den Iren beschieden gewesen, die gleichförmigen zweistöckigen Bauten hochzuziehen, in denen diese junge Stadt eilends Gestalt annahm, und im Verlauf dieser Arbeit wurde

Weitere Kostenlose Bücher