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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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gedankenverloren. Er scheint der Ansicht zu sein, dass ihre Zeit ohnehin abgelaufen, ihr Blatt fast abgefallen ist.
    «Können Sie mich nicht operieren?»
    In der Stimme des Arztes schwingt Verärgerung mit: «Sie sind zu alt, das würden Ihre Knochen nicht mitmachen. Osteoporose. Dem Krankenhaus fehlt es sowieso an der nötigen Ausstattung. Das Einzige, was wir tun können, ist Ihre Schmerzen in Schach zu halten.»
    «Aber werde ich wieder gehen können?»
    Während des gesamten Gesprächs hat Kawsar den Blick an die Zimmerdecke geheftet.
    Er gibt keine Antwort und verlässt einen Moment später die Station, eine Schwester folgt ihm auf dem Fuß.
    Als Kawsar später am Nachmittag erwacht, starrt Dahabo auf sie hinab. Vorsichtig berührt sie das Gesicht der Freundin, das voller Blutergüsse ist. «Sieh dich bloß mal an.»
    «Wie sind die Helden so gefallen. Sie hat mich verprügelt wie einen störrischen Esel.» Kawsar lächelt schwach, das rechte Auge ist zugeschwollen, und links sieht sie nur verschwommen. «Ich bin überrascht, dass sie mich nicht umgebracht hat.»
    «Joow
, du bist aus Leder und Bitterkeit, dich bringt so schnell nichts um. Aber wenn ich die in die Finger kriege, ziehe ich ihr bei lebendigem Leib die Haut ab und mache mir daraus eine Handtasche.» Um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen, verkrallt sich Dahabo im Kopfkissen.
    «Sie ist eben ein Kind ihrer Zeit.»
    «Nein, es ist genau andersrum: Die mit den verkümmerten Herzen haben die Zeit zu dem gemacht, was sie ist. Und du, was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Im Stadion plötzlich einfach so von uns wegzurennen. Hast du den Verstand verloren?»
    «Vielleicht. Irgendwoher muss es Hodan ja haben.»
    «Kawsar, du musst aufhören, dir Vorwürfe zu machen. Niemand kann einen anderen Menschen vor seinem Schicksal bewahren. Sie wurde mehr geliebt als alle Kinder, die ich kenne, einschließlich meiner eigenen.»
    Dahabos Stimme hat stets die Lautstärke, die nötig ist, um quer über die Straße zu dringen.
    «Pst, Dahabo, kannst du denn nicht normal sprechen?», zischt Kawsar.Sie möchte nicht, dass die uralte Frau im Bett nebenan etwas mitbekommt.
    «Zum Teufel mit denen, Kawsar, hör mir zu. Du hast nichts mehr für Hodan tun können. Du hast die Tabletten gekauft, die du kaufen solltest, ihr vom Imam den Koran vorlesen lassen, hast dafür gesorgt, dass sie nicht dort reingesteckt wird.» Sie zeigt durch das Fenster auf die Irrenanstalt des Krankenhauses. «Was denn noch? Was hättest du denn sonst noch machen können? Oder ich? Oder sonst jemand?»
    «Ich weiß doch, ich weiß. Lass uns das nicht noch mal durchkauen», sagt Kawsar leise.
    Dahabo packt sie bei der Schulter. «Du bist alt und gebrechlich, du musst besser auf dich achtgeben.»
    «Ich möchte, dass das alles aufhört, Dahabo. Ist das denn so falsch?»
    «Nein, aber deine Zeit wird kommen, genauso wie meine. Du kannst dich nicht derart in Gefahr bringen und dir da eine Hüfte brechen und dort einen Arm.» Sie hebt einen Korb an. «Ich hab dir was zu essen eingepackt. Ich möchte leere Teller sehen, hörst du?»
    «Ich kann nicht …» Kawsar hat ein schlechtes Gewissen, Dahabo das schwer verdiente Geld wegzuessen, wenn unter ihrer eigenen Matratze zu Hause Hunderte, Tausende Schilling versteckt sind.
    «Du wirst müssen. Maryam und Raage kommen dich morgen abholen. Und wenn es sich vermeiden lässt, keine weitere Prügelei!»
    Maryam und Raage kommen früh am nächsten Morgen, ehe der Andrang in seinem Laden einsetzt. «Vergesst den Korb nicht, er gehört Dahabo», Kawsar deutet von der Liege auf den Boden, «seht unterm Bett nach, vielleicht habe ich was fallenlassen.»
    «Ja,
eddo»
, Maryam bückt sich, «da ist nichts.»
    «Gut, dann lasst uns gehen.»
    Raage packt das hintere Ende der Trage und schiebt Kawsar aus der Station.
    Sie rollen über den unebenen, grau gefliesten Korridor, vorbei an den Warteschlangen vor der Tbc-Klinik und den Kinderstationen. Dankbar für die kurzfristige Ablenkung vom endlosen Warten starren die Menschensie an. Am meisten wird Maryam angestarrt, sie ist in Hargeisa geboren und aufgewachsen, hat aber die lange, europäische Nase ihrer englischen Mutter geerbt. Mit ihren blonden Haarsträhnen und der hellbraunen Haut hat sie Kawsar immer an eine Plastikpuppe erinnert, die in der Sonne vergessen worden ist.
    Seit Hodans Tod hat Kawsar dieses Krankenhaus nicht mehr betreten und kann sich auch nicht daran erinnern, wie man sie aus dem Gefängnis

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