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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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nahestehenden Band.
    Nurto hockt auf ihrer Matratze, ganz auf die große Schneiderschere konzentriert. Bisher ist Kawsar noch nie aufgefallen, dass das Mädchen Linkshänderin ist; vielleicht ist das mit ein Grund, warum sie so unbeholfen wirkt, als ginge sie das Leben von der falschen Seite an. Sie schneidet ein paar von Kawsars alten Baumwollkleidern in rechteckige Stücke, die später zusammengefaltet als Binden benutzt werden; der Älteren war eine feuchte rote Blume aufgefallen, die hinten auf Nurtos dünnem
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erblühte, und sie hatte ihr einige seit Langem unbenutzte Kleidungsstücke angeboten. Nurto könne diese da auch gern tragen, Kawsar zeigte auf andere Kleider, die teilweise aus teurem Stoff und ungetragen waren, aber Nurto wollte nicht, verzog beim Herumstöbern sogar herablassend die Nase.
    Kawsar schenkt sich die erste Tasse ein; die Knochen im Rücken knirschen, als sie sich nach vorn beugt, aber es fühlt sich merkwürdig gut an. «Wenn du willst, kann ich dir beibringen, wie man richtig näht», bietet sie Nurto an und pustet Dampf und Milchhaut leicht hin und her.
    Nurto antwortet lange nicht. «Ich glaub nicht, dass ich das gut könnte.»
    «Wer kann schon sagen, ob er etwas gut kann, wenn er es noch gar nicht ausprobiert hat?»
    «Du zum Beispiel. Du sagst, dass ich eine schlechte Köchin bin, dass ich nicht putzen kann, dass ich an der Wäsche Seifenreste lasse, dass ich deine Pflanzen umgebracht habe. Ich werde dir bestimmt nicht noch was zum Herumkritteln geben.»
    Kawsar lacht. «Ich versuche bloß, dich anzustacheln, dass du mehr darauf achtest, wie du arbeitest. Was willst du denn eigentlich mit deinem Leben machen? Weiterhin als Dienstmädchen arbeiten?»
    Nurto schnauft verächtlich.
    «Heiraten? Ziegen hüten? Eine Lastwagenfirma gründen?»
    Nurto zieht die Augenbrauen hoch.
    «Was denn dann?»
    «Ich hab doch gesagt, ich gehe ins Ausland und werde Mannequin.»
    «Warum machst du dann nicht, solange du hier bist, das Beste daraus – kaufst dir ein ganzes
Ghee
-Fass und steckst deine Finger rein undleckst sie ab, bis bei jedem Schritt deine Hängebacken, dein Bauch und dein Hintern wackeln?»
    Nurto lacht, und Kawsar lächelt triumphierend, es ist nicht einfach, dieses Mädchen aufzuheitern.
    «Dort mögen die solche Frauen nicht. Die mögen solche wie mich, mit kleinen Brüsten, langen Beinen und ohne ein Gramm Fett. Die sind nicht wie die dummen Männer hier, die es gernhaben, wenn sich Asha Fettbein schnaufend und keuchend in ihrem Bett wälzt.»
    «Das hat dir wohl dein Fotograf erzählt?» Kawsar hat ihre Zweifel.
    «Ja, aber es ist ganz offensichtlich, ich habe die Zeitschriften gelesen.»
    «Gelesen?»
    «Dann eben angeschaut, kommt doch aufs Gleiche raus. Die Bilder sprechen für sich. Warum tust du eigentlich immer so, als ob du Professorin an der Laafole University wärst?»
    «Ich bin keine Professorin, ich bin ungebildet wie ein Kind, aber ich kann einfach unangebrachten Stolz nicht ausstehen.»
    «Das ist kein unangebrachter Stolz. Ich werde lesen lernen. Ich werde was aus meinem Leben machen. Ihr alten Weiber seid stolz auf eure Unwissenheit – das nenne ich unangebrachten Stolz.»
    Kawsar bleibt ruhig, mittlerweile kann sie der schlechten Angewohnheit kaum widerstehen, Nurto zu ärgern, auch weil es einen kathartischen Effekt auf sie hat. «Ich bin eine einfache Frau, die nichts bereut und sich für nichts schämen muss», lügt sie. «Ich habe ein untadeliges Leben geführt.»
    «Untadelig und sinnlos», giftet Nurto.
    Das trifft Kawsar tiefer als erwartet. Sie rutscht etwas zur Seite, als wiche sie einem Geschoss aus; ihr eigener Pfeil hat sie gefällt.
    «Lass mich einfach in Ruhe.» Sie dreht Nurto den Rücken zu und starrt die Wand an, die vertrauten Löcher und Risse im Putz schieben sich wieder in ihr Blickfeld. «Wenn mein Mann hier wäre, würdest du es nicht wagen, so mit mir zu sprechen», sagt sie leise.
    «Und du würdest es nicht wagen, mich zu verspotten, wenn meine Familie Geld hätte.»
    Das Mädchen ist wie eine Kobra, sofort zum Angriff bereit. Sie schätzt die eigene Lage richtig ein, und Kawsar fühlt wider Willen Neid, dass Nurto sich so behaupten kann. Sie selbst hat lange gebraucht, um Macht und Machtlosigkeit derart deutlich unterscheiden zu können.
    Den restlichen Tag über schweigen sie sich an. Im Wohnraum um Kawsar wird es dunkler, schließlich verstummt das Schnipp, Schnapp der Schere, die zu Boden fällt. Dieser Klang weckt in ihr die

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