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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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immer noch in der Luft hängt, lässt sie beinahe ersticken, und die schrägen Töne der Kapelle bringen sie noch mehr durcheinander. Das hatte sie sich anders vorgestellt.
    Milgo kommt auf sie zu gerannt, die Hand zum Schlag erhoben.
    Deqo tanzt weiter, den Blick auf Milgos wütendes Gesicht geheftet. Hinter ihr kommen noch mehr ebenso aufgebrachte Frauen angelaufen. Ein dünnes, dunkles Urinrinnsal tröpfelt auf ihre Füße.
    Milgo packt sie am Arm, zieht sie so schnell fort, dass sie sich schon in dem dunklen Gang zwischen zwei Tribünen befindet, als sie die Augen öffnet.
    Sobald sie außer Sichtweite der Menge sind, prasseln die Schläge von allen Seiten auf sie ein, Worte dringen ihr schmerzhaft ins Ohr. Brüllend beschimpft Milgo sie ohne Unterlass, unerbittlich plärrt hinter ihnen die Musik.
    Im Zentrum der wirbelnden Tänzermassen bemerkt Kawsar einen Ruhepunkt, eine Leere, die ihre Gefühle widerzuspiegeln scheint. In diesem Kreis steht verloren ein rotgekleidetes Mädchen, das auf seine Füße starrt und offenbar nicht weiß, wo es sich befindet. Der Anblick rührt Kawsar, ein Augenblick der Wahrheit inmitten dieser Unwirklichkeit. Dieser friedliche Moment hält nur eine Sekunde an, dann stürzen sich die Guddi auf die Kleine, und Kawsar sieht, wie sie am Arm fortgezerrt wird, vier, fünf Frauen umringen sie. Sie liest ihnen vom Gesicht ab, was sie vorhaben, und steht auf, ehe sie das Mädchen fortbringen können. Kawsar spürt, wie sich in ihr etwas Bahn bricht – Liebe, Zorn, Gerechtigkeitssinn gar, sie weiß nicht genau, was es ist, aber es bringt ihr Blut in Wallung.
    «Wo gehst du hin?», will Dahabo wissen.
    «Ich komme wieder, bleib hier.»
    «Kawsar, warte!»
    Aber sie ist schon weg, drängt sich an den Frauen in ihrer Reihe vorbei, tritt ihnen auf die Füße oder steigt über sie hinweg, wenn sie nicht schnell genug aus dem Weg gehen. Noch ein paar Stufen, und sie ist dem Gedränge entkommen.
    «Schlampe!» – «Idiotin!» – «Miststück!», brüllen die Guddi neben der Tribüne, und da ist die Kleine – ein schmerzerfülltes, um Gnade bittendes Gesichtchen.
    «Gebt sie mir», sagt Kawsar und hört sich gelassener an, als sie sich fühlt.
    «Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten», entgegnet eine junge Frau herablassend.
    «Das
ist
meine Angelegenheit. Ich sagte, gebt sie mir.» Kawsar stürmt vorwärts und greift nach dem Mädchen.
    Die junge Frau hält Kawsar fest. «Du verrückte Alte, willst du, dass wir die Wachen rufen? Willst du denn ins Gefängnis?», brüllt sie.
    «Machen Sie, was Sie wollen, mir können Sie sowieso nicht mehr wehtun. Ich stamme aus dieser Stadt, bin hier geboren worden, und Sie sagen mir nicht, was ich zu tun habe.» Ihre Stimme ist schrill, und sie versucht wieder, das Mädchen zu fassen zu kriegen.
    Die Guddi stellen sich ihr in den Weg und bilden einen Halbkreis um das Kind. «Milgo, hol die Wachen, diese Verrückte ist auf Ärger aus», sagt die junge Frau, und eine hagere ältere Frau rennt zum Eingang zurück.
    Die Kleine reißt sich von ihren Verfolgerinnen los und rennt blitzschnell davon.
    «Naayaa
, he, du! Keine Sorge, ich krieg sie.» Das jüngste Mädchen der Gruppe setzt ihr nach.
    Die Aufmerksamkeit richtet sich wieder auf Kawsar. «Willst du eine Nacht im Gefängnis verbringen, damit du kapierst, wie der Hase läuft? Alte Frauen haben harte Schädel und sind manchmal schwer von Begriff.» Vehement presst die Anführerin der Gruppe einen Finger auf Kawsars Stirn, um ihren Worten Nachdruck zu verleihen.
    Kawsar schiebt die Hand weg. Sie stehen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, als wollten sie sich duellieren.
    Eine zierliche Soldatin mit Barett nähert sich, zwei Soldaten dicht hinter ihr. Sie scheint von der gesamten Situation angewidert und bedeutet Kawsar ungeduldig, ihr zu folgen. Die Guddi machen Platz, und Kawsar geht mit hocherhobenem Kopf davon.
    «Kawsar! Wohin bringen sie dich?», fragt Dahabo und lehnt sich über den Tribünenrand, Maryam steht neben ihr.
    «Ins Gefängnis», erwidert die Soldatin, «und dich nehmen wir auch gleich mit, wenn du nicht auf deinen Platz zurückgehst.»
    «Setzt euch wieder, wir sehen uns nachher.» Kawsar verspürt ein eigenartiges Triumphgefühl, jetzt ist sie diejenige, die das Geschehen bestimmt.
    Blindlings rennt Deqo in die fremde Stadt hinein. Sie blickt sich um und sieht, wie ihre Verfolgerin ihr immer noch schwerfällig nachrennt. Sie läuft schneller, macht große, elegante

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