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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Burao, Berbera –, überall dort, wo sich das NFM sammeln könnte.» Mit dem Handgelenk wischt er sich den Schweiß von der Oberlippe.
    «Für wann ist das geplant?»
    «Steht noch nicht fest.»
    Es scheint unfassbar, könnte aber eine Verbesserung gegenüber diesem belastenden, kräftezehrenden Zustand darstellen. Die Menschen hier könnten in einem von der Regierung kontrollierten Gebiet freier leben; es ist eine außergewöhnliche Lösung, aber es sind auch außergewöhnliche Zeiten.
    «Woher wissen Sie davon?»
    Captain Yasin lächelt. «Ah, wissen Sie denn nicht, dass ich zum inneren Kreis gehöre?»
    «Wann erfahren wir anderen davon?»
    «Wenn es absolut nötig ist, und bitte, Filsan, Sie dürfen mit niemandem darüber reden, oder wir landen beide im Gefängnis.»
    «Beleidigen Sie mich nicht. Ich bin nicht irgendein tratschendes Marktweib. Ich nehme meine Arbeit ernster als sonst irgendjemand in unserer Abteilung.»
    «Das weiß ich», nickt er, «deshalb habe ich es Ihnen auch erzählt.»
    Zurück auf ihrer Stube wird Filsan vom Bedürfnis nach Ordnung überwältigt. Sie baut ihr Bett neu, zieht Decken und Laken besonders straff, fegt den Linoleumboden und wischt mit einem nassen Lappen auf, räumt die Kleider weg, die sich auf dem Stuhl angehäuft haben, wischt sämtliche toten Moskitos von den Fensterbänken, sammelt die unter dem Bett verstreuten Kassetten zusammen und stopft sie in eine Schublade, springt aufs Bett, poliert die nackte Glühbirne, macht schließlich das Fenster auf und sprüht etwas Parfüm auf ihr Bettzeug.
    Nach diesem Rausch ist sie zwar etwas ruhiger, aber immer noch rastlos. Gedanken buhlen um Aufmerksamkeit. Ihr ist schwindlig, als hätte sie sich im Kreis gedreht; so lange hat sie sich gewünscht, es möge sich etwas in ihrem Leben tun, irgendetwas, das durch diesen Schleier dringt, der sie von der Außenwelt trennt, und nun folgt Ereignis auf Ereignis wie eine Sturzflut, und sie treibt auf den Wellen hüpfend mit, während ihr das Wasser gegen die Brust schlägt.
    Der Bücherstapel neben dem Bett – akademische Abhandlungen über Maßnahmen zur Bekämpfung aufständischer Gruppen und eine gebundene Ausgabe von Machiavellis «Fürsten» – zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Der Machiavelli war ein Abschiedsgeschenk ihres Vaters; sie nimmt ihn in die Hand, wischt den Staub vom Renaissance-Porträt auf dem Umschlag und schlägt ihn auf. Dass ihr Vater seinen Namen in das Buch gesetzt hat, als hätte er das fünfhundert Jahre alte Werk selbst verfasst, entlockt ihr ein Lächeln. Keine Widmung, keine Botschaft, einfach nur seine verschnörkelte Unterschrift auf der Titelseite. Er hatte es ihr in der Luftpostverpackung aus Plastik überreicht, in der es gekommen war, und gesagt, es enthielte alles, was sie über die Menschen wissen müsse. Filsan hat es nicht gelesen, legt es jetzt wie eine Art heiliges Buch neben ihr Kopfkissen, ein Totem ihres alten Lebens, ist jedoch immer noch nicht bereit für seine grauenvollen Geheimnisse über die Menschheit. Sie möchte etwas Trockenes, Neutrales, Technisches lesen und hofft, dass «Grundlegende Maßnahmen zur Bekämpfung aufständischer Gruppen» ihre Gedanken fesseln kann.
    Sie knipst die Nachttischlampe an. Die eng bedruckten Seiten und unübersichtlichen Diagramme tun ihren Augen weh, aber sie zwingtsich, die Seiten immer wieder zu lesen. In kleinen Kästchen werden Beispiele der Theorien von Mao, Marshal Bugeaud und anderen aufgeführt. Sie hat ihren Spaß an diesen Geschichten – jedes bekannte menschliche Problem, jeder Konflikt hat offenbar eine Vorgeschichte, mag sie auch noch so weit zurückliegen; die modernen Kommunisten imitieren biblische Racheakte.
    Das Buch hilft, ihre Gedanken sind jetzt weniger durcheinander. Captain Yasin wird zur geringsten ihrer Sorgen. Sie verabscheut, wie Frauen sich verändern, sobald Männer in ihr Leben treten. Liebe macht aus Frauen offenbar viel größere Idioten als aus Männern; an der Uni ließen die Mädchen ihre Freunde ihre Hausaufgaben abschreiben und grübelten in der Mensa verdrossen über den kleinsten Kommentar, die nichtigste Begebenheit, setzten sich selbst herab und veränderten sich und warfen ihre Zukunft weg, um Männer zu heiraten, die kaum etwas Besseres als Taxifahrer werden würden. Wahrscheinlich ist sie zu kopfgesteuert, um jemanden wirklich lieben zu können; schon schmusende Paare machen sie verlegen – sie wirken, als hätte man sie gehirnamputiert –, aber wenn sich

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