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Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Der Garten der verlorenen Seelen - Roman

Titel: Der Garten der verlorenen Seelen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Filsan bezieht hinter der Schranke des Checkpoints Stellung.
    «Corporal, gehen Sie zurück in Ihre Kaserne, und warten Sie auf weitere Anweisungen.» Er dreht ihr den Rücken zu und hält sich den Kopfhörer ans Ohr, bevor er einen Soldaten fragt: «Über wie viele Rebellen in Burao reden wir genau?»
    «Wir haben keine Ahnung, Sir, die Verbindung bricht immer wieder zusammen.»
    Filsan geht zu Roble und flüstert ihm ins Ohr: «Ich will bei dir bleiben.»
    «Geh, Filsan, das ist eine ernste Sache.»
    Als sie seinem Blick begegnet, wird sie von einer Woge des Hasses überspült. Warum glaubt er, dass er besser ist als sie? «Ich gehe, Captain.»
    «Bringen Sie sie nach Hause», befiehlt er niemand Bestimmtem, aber sie wartet nicht ab, sondern marschiert los.
    Die Straße ist ein blasses Band, umgeben von schwarzen Bäumen, schwarzen Mauern, schwarzem Nichts, dort, wo Leben sein sollte. Es ist erst sieben Uhr abends, aber bis auf das Stapfen ihrer Stiefel ist kein Laut zu hören.
    Sie wirft einen prüfenden Blick über die Schulter, sieht, wie ihr einer der Soldaten vom Checkpoint folgt, halbherzig und mit einem gewissen Abstand; seine Anwesenheit verärgert sie noch mehr, und Filsan geht schneller und schwört sich, dass sie Roble nie wieder auch nur einen Blick schenken und ihm eine Lektion erteilen wird, weil er sie gedemütigt hat. Sie weiß, dass sie ihn morgen wiedersehen wird, wenn er hinter seinem Schreibtisch sitzt und enthusiastisch erzählt, wie der Rebellenaufstand in Burao blutig niedergeschlagen wurde.
    Sie achtet nicht auf das Gebüsch neben sich, in dem es zu flüstern scheint und sich regt, ihr Blick ist auf die Straßenseite gerichtet, wo es zur Kaserne abgeht, und sie bemerkt nicht, wie sich die Sträucher vom Boden heben. Filsan streicht sich eine Strähne aus der Stirn und zieht den Gewehrgurt fester, damit ihr die Waffe nicht gegen den Schenkel schlägt. Sie will bloß noch unter die Dusche und dann schlafen.
    Das Knacken eines Zweigs hinter sich schiebt Filsan auf ein herumstreunendes Tier, den Geruch nach muffigem Schweiß auf ihren langen, anstrengenden Tag, aber ein aufkommender Zweifel lässt sie innehalten und sich umdrehen.
    Dschinns bevölkern die Straße, ihnen wachsen verschlungene Äste aus Köpfen und Armen; sie streckt die Hand aus, um eine der SchemenhaftenGestalten zu berühren, und spürt erstaunt warmes Fleisch unter ihren Fingern.
    «Hände hoch!», befiehlt der Dschinn im Hargeisa-Dialekt und hält ihr eine Kalaschnikow vors Gesicht.

DRITTER TEIL

D ie Tür hält fünf kräftige Schläge aus, bevor sie aufspringt. Kawsar dreht sich um, im Haus steht ein halbwüchsiger Soldat, der eine Tarnjacke trägt; ihre Blicke treffen sich kurz, dann zieht er sich zurück. Die Tür fällt ins Schloss, der Riegel ist kaputt, baumelt lose an den Schrauben.
    «Und?», fragt eine Stimme hinter ihm.
    «Nichts, alles schon geplündert. Lass uns gehen.»
    Ob er sie wohl gesehen hat? Oder hat er gedacht, eine Leiche starre ihn an? Wie wird sie überhaupt merken, dass sie gestorben ist? Niemand wird um sie klagen, um sie weinen. Keiner der Nachbarn hat bei ihr hereingeschaut, also müssen sie entweder tot oder geflohen sein.
    Ihr Schädel pocht, und sie hat Halsschmerzen. Sie gießt sich ein Glas staubiges Wasser aus dem Krug ein und zählt die Schmerztabletten. Nur noch fünf. Kawsar spült sie hinunter. Draußen vor ihrem Fenster sind immer noch Schritte zu hören, klobige Stiefel auf Beton. Die Soldaten lachen, die geheimnisvolle Verzückung spielender Jungen. Wahrscheinlich wühlen sie sich gerade durch die Unterwäsche in Maryams Haus.
    Kawsar lehnt sich mit der Wange gegen den feuchten Kissenbezug mit dem Akazienmuster, Tränen hängen von den dünnen Ästen wie Blätter. Sie fühlt sich benommen, aus dem Flussbett ihrer Erinnerung steigen sepiafarbene Bilder und versunkene Laute auf: das Trampeln der Schnürstiefel, als die Polizisten vor dem District Commissioner in Salahley paradierten. Als sie jung war, hatte sie dieses Geräusch sehr gemocht, ging mit ihrer Frühstücksschüssel auf die Veranda, damit sie dem festen Tritt ihres Mannes auf dem Schotter lauschen konnte, das Geräusch wehte zu ihr herüber, über Vogelgesang, klirrende Metallschilder und das Kommandogebrüll des britischen Sergeants hinweg.Damals waren die Polizisten wunderschön, das Haar glänzend, der Seitenscheitel akkurat, ihre Uniformen rochen nach Waschmittel und Seife. Kawsar hatte ihren frischgebackenen Ehemann

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