Der Garten der verlorenen Seelen - Roman
des Colonels zu sehen, als er sich schwungvoll hinter Robles Schreibtisch setzt. Ein Störfall beim Regionalen Sicherheitsrat könnte ein Pluspunkt für ihn sein.
«Funktioniert überhaupt eines von diesen verdammten Dingern?», schreit Magan und sticht auf die Telefontasten ein.
Sie versucht, Robles Blick zu erhaschen, aber er starrt mit gerunzelter Stirn auf den Colonel hinab.
«Tot.» Colonel Magan legt den Hörer auf, zieht den Stuhl näher an den Schreibtisch heran und bedeutet ihnen, sich davorzustellen. Er hat ein Raubvogelgesicht: knopfäugig, hakennasig und bedrohlich. Er verschränkt die sehnigen Hände und legt das Kinn auf die Fingerknöchel.
Filsan steht nahezu in Habachtstellung vor ihm, hat die Hände nervös hinterm Rücken verschränkt.
«Wir müssen die Situation unter Kontrolle bekommen. Das Feuer im Ratsgebäude ist nur eine Ablenkung. Die echte Katastrophe hat sich gestern Abend im Mandera-Gefängnis ereignet», er klopft sich mit den Knöcheln an den Kiefer und holt tief Luft, «als die Rebellen angegriffen und fast alle Gefangenen befreit haben.»
Endlich wirft ihr Roble einen schnellen Blick zu, den sie erwartungsvoll erwidert.
«Derzeit sind die Straßen nach Osten gesperrt, und jede Infanterieeinheit in dieser Gegend ist zur Grenze abkommandiert worden, damit die NFM ihre Kameraden nicht aus dem Land schleusen kann. Sie werden hier täglich Patrouille gehen. Demnächst folgen weitere Instruktionen. Den restlichen Tag über werde ich in Birjeeh in Besprechungen sein. Captain Yasin, ich möchte, dass Sie so viele Kollaborateure identifizieren wie möglich und herausfinden, was sie über den Gefängnisausbruch wissen.»
Nach dem Angriff auf das Gefängnis schaltet die klappernde, schwerfällige Maschinerie der Somalischen Nationalarmee einen Gang hoch. Innerhalb von vier Wochen bekommt die Saba’ad-Miliz ihre Granatwerfer und einen Ausbilder, der sie in der Handhabung unterweist, in den Lagern draußen in der Wüste werden weitere Milizen rekrutiert, und Filsan organisiert in den Regierungsgebäuden von ganz Hargeisa, auch in den Räumlichkeiten ihrer Abteilung, Einquartierungen für Truppendivisionen aus Beledweyne, Kismayo, Merka, Galkayo und Mogadischu. Roble telefoniert ununterbrochen, einen Stift hinterm Ohr, organisiert die reibungslose Überführung schwerer Waffen von Mogadischu nach Hargeisa. Ihre einzige Ruhepause ist der Wachgang, den sie zwischen drei und sechs Uhr nachmittags jeden Tag im Viertel Guryo Samo absolvieren. Die Sicherheitsorgane sind in kleine Einheiten aufgeteilt worden, die miteinander wetteifern, die Wurzeln des NFM zu kappen, Informationen werden fast wie Schätze gehortet, statt sie zu teilen. Filsan und Roble verbringen drei einsame Stunden miteinander, gehen Straßen auf und ab, die so sandig sind, dass ihre Stiefel bis zu den Schnürsenkeln darin versinken, von allen wurden sie ignoriert, bis auf die Kinder, die bei ihrem Anblick flüchten. Zum ersten Mal seit Salahley trägt Filsan wieder eine Waffe, deren Gewicht unheilvoll auf sie wirkt; es fällt ihr schwer, die Macht in den Läufen, Spulen und den Abzügen zu ignorieren, ständig schiebt sie das Gewehr zur Seite.
Über dem Viertel liegt eine schläfrige Stimmung; sie reißen Witze über Schlafzauber, aber manchmal gähnen sie so anhaltend, dass sie tatsächlich mit einem Bann belegt sein könnten. An einem Verkaufsstand unter einer Weide kaufen sie mit Regierungsgutscheinen zum schweigenden, aber offensichtlichen Missvergnügen des kahlköpfigen Händlers Erfrischungsgetränke. Nach jeder Patrouille taumeln sie im Aquarell-Licht zur Kaserne zurück und an einem überwucherten Obstgarten vorbei, über dessen Mauern zarte Blüten hängen, die mit ihren durchsichtigen Kelchen beinahe im Takt nicken. Manchmal pflückt Roble aus den roten und rosa Blumen für Filsan einen welken Strauß, den sie unter ihrem Uniformrock versteckt und auf ihre Stube rettet, wo sie die zerdrückten feuchten Stängel zwischen ihren Brüsten herauszieht.
Innerhalb von vierzehn Tagen werden vierhundert der Rebellen aus dem Mandera-Gefängnis geschnappt, hauptsächlich alte, zahnlose Männer, die entschlossen ihre Geheimnisse in ihren klapprigen Körpern bewahren wollen. Filsan und Roble haben die Anweisung, einen Mann zu verhören, Umar Farey aus Guryo Samo, der unter Verdacht steht, in seinem Hotel antirevolutionäre Versammlungen zu organisieren. In der ehemaligen Waffenkammer von Birjeeh zeigt Roble eine
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