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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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ein Name oder ein Gesicht entfallen war, traten entweder Konstantin oder Fürstin Elena an seine Stelle. Zuerst versuchte ich, mir alle Namen und Gesichter zu merken, aber es waren zu viele, und für mich sahen sie nicht nur alle gleich aus, sie schienen auch auf eine ungewöhnlich komplizierte Art miteinander verwandt zu sein, sodass ich nach einer gewissen Zeit den einen nicht mehr von dem anderen unterscheiden konnte.
    Immer mehr Menschen strömten in die Halle, und der Lärm der Menge machte schon bald jede Unterhaltung unmöglich. Also stand ich nervös neben Roupen und seiner Mutter, hielt mein Glas in der Hand und blickte auf die wimmelnde Masse hinunter. Gerade als ich zu dem Schluss kam, die Halle sei nun übervoll, da wurden die Türen geschlossen, was ein Geräusch verursachte, das sogar den Lärm der Menge übertönte.
    Die Menge geriet in Bewegung, und plötzlich erschien Thoros und bahnte sich einen Weg hindurch; Nurmal folgte ihm. Sie kamen sofort zu unserem Tisch und begrüßten die Fürstin und die anderen Mitglieder des königlichen Hauses, die dort warteten. Während sie von einem zum anderen gingen, bemerkte ich, dass beide Männer bereits in Feststimmung waren. Sie lachten laut, küssten jeden und klopften allen auf den Rücken; jede ihrer Gesten erschien mir pompös und übertrieben. Sie machten auf mich den Eindruck wie Männer, die soeben ein Vermögen gewonnen hatten, oder wie Seeleute mit Silber in der Hand, die gerade nach langer Zeit in einen Hafen eingelaufen waren.
    Ich war jedoch nicht der Einzige, der ihren Überschwang bemerkte. »Die Krakeeler sind also endlich aus ihren Weinbechern gekrochen«, erklärte Konstantin. Er hatte sich zu mir hinübergebeugt und musste schreien, damit ich ihn verstehen konnte. »Jetzt können auch wir anderen mit dem Feiern beginnen.«
    Das hätte in der Tat so sein können - Gott weiß, dass zu viel Wein einen Mann beim Feiern ausgelassen macht -, und ich hätte Konstantin auch zugestimmt . wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass Padraig und ich noch kurz vor dem Fest mit den beiden zusammen gewesen waren, und so wusste ich, dass sie nicht viel getrunken hatten. Nurmal war genau wie ich in seine Gemächer zurückgekehrt, und Thoros war sogar noch vor uns gegangen. Natürlich hätten die beiden sich später wieder treffen und miteinander trinken können, doch ich bezweifelte das. Ein Gefühl der Furcht überkam mich und sagte mir, dass die Erklärung für dieses Verhalten bei weitem nicht so simpel war.
    Thoros nahm seinen Platz an der Tafel ein und winkte mir, zu seiner Rechten Platz zu nehmen, während Padraig sich links von ihm setzen sollte. Nurmal setzte sich neben mich. Auch die anderen Mitglieder des königlichen Hauses nahmen nun ihre Plätze ein, woraufhin die Halle in Aufruhr geriet, als die anderen Gäste versuchten, sich einen Sitzplatz an einem der übrigen Tische zu sichern. Es gab weit mehr Gäste als Sitzplätze, und so waren viele gezwun-gen, sich an den Rand zu stellen und darauf zu warten, dass einer der anderen mit dem Essen fertig war und sich erhob.
    Nachdem wieder etwas Ruhe eingekehrt war, schritt ein alter Mann in langem schwarzem Gewand auf unseren Tisch zu und rief die Anwesenden mit lauter Stimme zum Gebet auf. Dann faltete er die Hände, hob sie vors Gesicht und bat den Allmächtigen in altem Griechisch, dieses Reich und seine Bewohner zu beschützen. Wie ich bereits gesagt habe, ist mein Griechisch bei weitem nicht so gut wie mein Latein; dennoch verstand ich das meiste von dem, was gesagt wurde. Der Mann betete für die Seelen aller Anwesenden und bat um göttliche Führung und Schutz. Das Gebet war lang, und häufig wechselte er vom Griechischen in die seltsame Sprache der Armenier. Nachdem er geendet hatte, wurden die Türen der Halle wieder aufgeworfen, und Diener trugen die Speisen herein.
    Die ersten Speiseplatten wurden auf unseren Tisch gestellt - gebratenes Ochsen- und Wildschweinfleisch lag darauf -, und sofort ließ mir der Duft das Wasser im Mund zusammenlaufen, und ich spürte, wie hungrig ich war. Thoros, der das Amt des obersten Gastgebers übernommen hatte, griff in den Fleischberg vor sich und riss eine große Keule heraus. »Esst!«, rief er überschwänglich. »Esst, ihr alle! Genießt das Fest!«
    Jeder der hungrigen Gäste griff nach dem, was vor ihm stand, und schon bald troff jedermanns Kinn von Bratensaft. Mein Glas wurde auf kuriose Weise immer wieder aufgefüllt, und in meinen Händen erschien

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