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Der Gast des Kalifen

Titel: Der Gast des Kalifen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Lawhead
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hat, Euch auf ewig gnädig sein. Ich fühle mich zutiefst geehrt, meinen Herrn zu treffen, dessen Güte und Großzügigkeit mich so lange genährt haben.«
    Auch wenn die Worte von Wazim stammten, so waren sie mir doch ernst; ich war dankbar für diese milde Art der Gefangenschaft. Ich wusste, wie leicht es hätte anders sein können.
    Die Falten auf der Stirn des großen Mannes vertieften sich noch, doch nicht vor Zorn, sondern vor Verblüffung. Er antwortete nicht; stattdessen spielte er an seinem Schnurrbart und betrachtete mich mit zusammengekniffenen Augen.
    »Da du ein gebildeter Mann bist«, erwiderte er schließlich in gutem Latein, »lass uns offen miteinander reden.«
    Diese Worte machten mir Mut. Wann immer ein Araber - sei er nun Sarazene, Seldschuke oder Ägypter - dich in deiner eigenen Sprache anspricht, Cait, kannst du dich glücklich schätzen, denn dieser Ehre halten sie nur wenige für würdig. Ich gestattete mir jedoch nicht, mir meine Freude anmerken zu lassen, da man dies als despektierlich aufgefasst hätte. Also erwiderte ich in gleichmütigem Tonfall: »Wie Ihr wünscht, mein Herr.«
    Der Kalif musterte mich eine Zeit lang; dann sagte er: »Der Kalif von Bagdad hat dich zu mir gesandt.«
    »Das ist wahr, mein Herr. Ohne Zweifel glaubte er, ich sei eine nützliche Ergänzung für Euren illustren Hof.«
    Al-Hafiz grunzte ob meines armseligen Scherzes. »Wie lautet dein Name?«
    »Ich bin Duncan Murdosson aus Caithness in Schottland. Ich bin auf Pilgerfahrt, mein Herr, und ich hielt mich gerade in Anavarza auf, als die Feste von Emir Ghazi angegriffen wurde. Die Seldschuken haben mich gefangen genommen.«
    »Kalif al-Mutarshid sagt, du seist ein Spion und ein Verräter am Islam. Er hat dich zum Tode verurteilt.« Dann fügte er mit einer abschätzigen Handbewegung hinzu: »Ich sehe keinen Grund, warum ich sein Urteil ändern sollte.« An die Wachen gewandt sagte er: »Dieser hier soll sofort hingerichtet werden. Bringt ihn weg.«
    Als die Wachen vortraten und mich an den Armen packten, verlangte al-Hafiz zu wissen: »Hast du nichts dazu zu sagen?«
    Ich legte mein Schicksal in Gottes Hand und antwortete: »Nein, mein Herr. Alles geschieht nach dem Willen unseres Großen Königs.«
    Die Wachen drehten mich herum und führten mich aus dem Saal. Wazim, der uns die ganze Zeit über gefolgt war, murmelte tröstende
    Worte vor sich hin. Ich schenkte ihm keine Beachtung, denn ich brauchte all meinen Mut, um mich auf das Beil des Henkers vorzubereiten.
    Wir erreichten die große Ebenholztür, die aus dem Thronsaal hinausführte, und hielten kurz dort an, während zwei blau gewande-te Diener sie öffneten. Da rief der Kalif vom Thron hinter uns: »Ungläubiger, wen meinst du damit?«
    Die Wachen drehten mich zum Kalifen um. »Mein Herr?«
    Al-Hafiz winkte den Wachen, mich wieder zu ihm zu bringen. »Du sprachst gerade von unserem Großen König. Wen meinst du damit?«
    »Ich sprach von unserem Herrn und Gott, dem Herrscher des Himmels und der Erde, dem Gestalter des Schicksals, Schmied der Zeiten und Helden der Gläubigen.« Letzteres waren Titel, mit denen die Mohammedaner den Allmächtigen belegen, die jedoch auch Christen guten Glaubens aussprechen können.
    Der Kalif kniff die Augen zusammen - ob nun aus Zorn oder Misstrauen vermochte ich nicht zu sagen. »Es gibt nur einen Gott«, erklärte er und deutete mit dem Finger nach oben. »Allah ist der Eine.«
    »Das ist in der Tat so, mein Herr«, erwiderte ich und senkte ehrfürchtig das Haupt. »Es gibt keinen Gott außer Gott.«
    Die Falten erschienen wieder auf seinem dunklen Gesicht. »Was weißt du von diesen Dingen?«
    »Nur wenig, mein Herr. Ich bin nur ein einfacher Pilger...«
    »Das hast du bereits gesagt«, unterbrach er mich. »Aber ich glaube, du bist nicht so einfach, wie du dich gibst.« Er runzelte die Stirn, beugte sich vor, legte das Kinn in die Hand und betrachtete mich, als überlege er von neuem, was er mit mir tun solle. Schließlich fragte er: »Leugnest du, Christ zu sein?«
    »Nein, mein Herr«, antwortete ich. »Ich bin Christ. Mit Eurer Erlaubnis möchte ich nur daraufhinweisen, dass ich weder etwas mit Rom noch mit Konstantinopel zu tun habe. Weder der Papst noch der Kaiser gebieten über mich.«
    Das überraschte ihn - und seltsamerweise schien ihm diese Überraschung zu gefallen. Es schien, als hätte er schon von Anfang an vermutet, dass ich anders war, und nun hatte sich diese Vermutung bestätigt. Das Stirnrunzeln

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