Der Gast: Roman
Kreditkarte. Als sie das Restaurant verließen, sah er auf seine Uhr.
Zehn nach sieben.
»Hast du noch eine Verabredung?«, fragte Sue.
»Der Park macht um zehn zu«, erinnerte er sie.
»Ich hab eine Idee«, sagte sie. »Wir sollten vielleicht direkt zu den Karussells gehen und uns die anderen Läden und so für später aufsparen. Was meinst du?«
»Finde ich gut.«
»Ich auch.« Lächelnd nahm Sue seine Hand. »Danke für das Essen. Es war richtig lecker. Die Rippchen waren hervorragend.«
»Stimmt, die waren wirklich hervorragend«, sagte er.
»Hab ich es richtig gesagt?«
»Du hast es perfekt gesagt.«
»Ist dir aufgefallen, dass ich nicht voll lecker oder so was gesagt hab?«
»Ich habe es bemerkt.«
»Sie waren äußerst delikat«, sagte sie betont gewählt.
»Ja, das stimmt.«
Neal hatte kaum mitbekommen, wie süß und würzig die Rippchen geschmeckt hatten. Die meiste Zeit hatte er sich nicht auf das Essen konzentrieren können. In seinem Kopf drehte sich alles – weniger wegen der Margaritas als wegen Sue. Sein Herz schlug zu schnell. Er hatte ein beengtes, schmerzendes Gefühl in der Brust und während der ganzen Mahlzeit eine an- und abschwellende Erektion.
Dass sie gesagt hatte, sie würde keine Unterwäsche tragen, war nicht gerade hilfreich.
Auch zu sehen, wie sie sich die klebrige Grillsoße von den Fingern leckte und dabei vor Vergnügen stöhnte und die Augen verdrehte, machte die Sache nicht einfacher.
Doch kurz bevor das Essen kam, lenkte Sue die Unterhaltung in eine Richtung, die nichts mit Frauen oder Unterwäsche zu tun hatte. »Es ist nicht so, dass ich nicht weiß, wie man richtig spricht. Ich hab es bloß selten gemacht. Es gab keinen Grund. Wie wär’s, wenn du mir sagst, wenn ich was falsch mach?«
»Bist du sicher, dass ich dich damit nerven soll?«
»Klar. Ich will nicht, dass du dich mit mir schämst, weil ich klinge wie die letzte Hinterwäldlerin. Mann, du bist ein berühmter Drehbuchautor.«
Neal lachte. »So weit ist es noch nicht. Vielleicht eines Tages.«
»Jedenfalls muss ich raffen, wie man richtig sprechen tut.« So wie sie dabei grinste, musste sie wissen, dass sie gerade wieder einen echten Knaller gebracht hatte.
»Also«, sagte Neal, »fangen wie mal mit ›tun‹ an. Das braucht man nicht, wenn man ein anderes Verb hat.«
Sue lachte.
Während sie ihre Margaritas tranken, aßen und sich die Soße von den Fingern leckten, sprachen sie darüber, wie sie Sues Ausdrucksweise verbessern könnten.
Indem er die Rolle von Sues Lehrer übernahm, konnte Neal sich für eine Weile ganz auf ihre Sprache konzentrieren.
Doch der Gedanke, dass Sue wusste, was er für sie empfand, ließ ihn trotzdem nicht los.
Sie weiß, dass ich mich in sie verknallt habe.
Sie hat keine Unterhose an.
Als sie die Mess-o’-Ribs-Kantine verließen, war er erschöpft. Er sah auf seine Uhr. Der Park würde in drei Stunden schließen.
»Hast du noch eine Verabredung?«, fragte Sue.
Neal und Sue gingen Hand in Hand auf den Durchgang in der Palisade zu.
Die Sonne war gerade hinter den Bergen im Westen untergegangen. Der Bergkamm erstrahlte in goldenem Licht, das jedoch langsam verblasste, als sie unter dem rustikalen Holzschild mit der Aufschrift UNZIVILISIERTES GEBIET durchgingen.
»So«, sagte Neal.
Sue drückte seine Hand und lächelte ihn an.
»Hier geht’s richtig los«, erklärte er.
»Mit was?«
»Mit der Kirmes.«
Obwohl die Dämmerung gerade erst eingesetzt hatte, brannten im Unzivilisierten Gebiet schon alle Lampen hell und färbten das Zwielicht rot und grün und gelb ein. Neal kam es vor, als schillerte die Luft in allen möglichen Farben.
Und die Geräusche.
Kirmesgeräusche.
Die pfeifende Melodie einer Dampforgel, das Klimpern eines Banjos, das Rattern einer Achterbahn, Schreie und Kreischen, das Rufen eines Ansagers, das Peng, Peng, Peng einer Schießbude, Glockengeläut … und noch andere Geräusche, zu viele, als dass Neal sie hätte auseinanderhalten oder identifizieren können.
Kirmesgeräusche.
Und der Geruch von Zigarrenrauch, Zuckerwatte, Popcorn, Schnaps, Parfum und Sonnenmilch …
Und die Leute.
Nicht die Massen, die man in Disneyland, Magic Mountain oder Knotts Berry Farm antraf, doch viel mehr Leute, als Neal an einem Ort wie The Fort erwartet hatte. Sie konnten nicht alle Anwohner sein. Neal nahm an, einige kamen aus Reno, Sparks, Truckee, Lake Tahoe …
Sie sahen aus wie Cowboys, Trucker, Schreiner, Kellnerinnen, Studenten, Wanderer, die
Weitere Kostenlose Bücher