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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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einen kleinen hellen Apparat – die Fernbedienung für das Garagentor. Er richtete sie auf das Tor.
    Wir fahren in die Garage? So erfahre ich nie die Adresse!
    Das Garagentor begann sich zu öffnen.
    Das Auto fuhr darauf zu.
    »Guck zum Haus, du Mistkerl.«
    Er blickte weiter auf das Tor.
    Neal konnte nur am Rand von Rasputins Gesichtsfeld ein einstöckiges Haus mit Büschen davor erkennen.
    Dann schaltete Rasputin die Scheinwerfer aus.
    Das Haus lag im Dunkeln. Es brannte nirgendwo Licht, weder hinter den Festern noch über der Tür noch in der Garage.
    Rasputin fuhr langsam in das schwarze Maul der Garage.
    »Home, sweet home«, sagte er.
    Er schaltete den Motor aus. Als er erneut auf die Fernbedienung drückte, begann das Tor ratternd hinabzufahren. Er blieb sitzen, bis es vollständig geschlossen war.
    Und überlegte, was er nun tun sollte, da er zu Hause war.
    Direkt ins Bett gehen?
    Wahrscheinlich wäre das eine gute Idee, doch er war zu nervös und aufgeregt, um einzuschlafen.
    Außerdem kann ich morgen den ganzen Tag schlafen. Bis es dunkel wird, habe ich nichts vor.
    Ich kann genauso gut noch eine Weile aufbleiben und mich amüsieren.
    Rasputin durchlief ein Schauder der Erregung, als er aus dem Wagen stieg. Er ging mit ausgestreckten Armen vorsichtig durch die Dunkelheit.
    Er fand die Tür zum Haus.
    Doch er öffnete sie nicht.
    Er berührte die Klinke nur, um sich zu orientieren. Dann ertastete er einen Türrahmen. Und einen Schalter.
    Er knipste das Licht an.
    Und blinzelte in der Helligkeit.
    Er drehte sich um.
    Neal konnte einen Mann erkennen, der mit ausgestreckten Armen und hängendem Kopf an der Wand lehnte. Seine Füße standen in einem Eimer.
    Rasputin sah den Mann nur einen Augenblick an, ehe er sich umdrehte und durch die Garage zu der Frau ging.
    Schlank, mit sehr großen Brüsten.
    Doch sie hatte keine schwarzen Locken, keine dichten schwarzen Augenbrauen, kein Dickicht unter ihrem Bauchnabel. Dort, wo in Rasputins Fantasie all das Haar gewesen war, hatte die Frau nackte verbrannte Haut.
    Mit einem Mal wusste Neal, dass es keine Fantasie gewesen war.
    Keine Fantasie, sondern Erinnerung.
    Die Frau hob den Kopf und schlug die Augen auf.
    Neal schrie auf.
    Ich muss hier raus! Nein! Es war nicht so gemeint!
    Zu spät.
    Er wurde herausgerissen und war augenblicklich frei von Rasputins bebendem, angespanntem Körper und seinem kranken Geist. Er spürte die Schusswunden, die Erregung, die warme glitschige Lederhose, das schmerzhafte Pochen seiner Erektion nicht mehr. Das Gewirr seiner Erinnerungen, Fantasien, Pläne und Selbstgespräche war verschwunden.
    Neal war plötzlich wieder er selbst.
    Wie ein Fisch am Haken wurde er durch das Garagendach in den klaren Nachthimmel gezogen.
    Er blickte hinab, doch er war schon hoch oben und weit von dem Haus entfernt. Unter ihm sausten verschwommen mondbeschienene Dächer, Baumkronen, graue Straßen, helle Lichtflecke und parkende Autos vorbei.
    Er versuchte abzubremsen, doch es gelang ihm nicht.
    Das Armband holte ihn schnell ein, wie ein Angler, der befürchtete, der Fisch könnte ihm noch vom Haken entwischen.
    Es zog ihn aus der Höhe hinab und durch das Fenster an der Vorderseite von Martas Wohnung. Dort brannte eine Lampe. Er entdeckte Sue. Sie hockte mit der blauen Decke über dem Rücken neben seinem Sessel. Ihr Kopf war ihm im Weg. Er traf ihn mit der Hüfte, doch er fühlte sich an wie Luft. Einen Augenblick später landete er in seinem eigenen Körper.
    Sein Herz schlug schnell und heftig. Er rang um Atem. Sein Haar war schweißnass, und die Kleider klebten an seiner Haut.
    Als er die Augen aufschlug, sah Sue ihn an.
    Sie wirkte verängstigt. »Du bist zurück«, sagte sie.
    »Gott sei Dank.«
    Es war so gut, sie zu sehen.
    Lebendig und in Sicherheit.
    So süß und schön.
    Ihr Haar war wirr und leuchtete golden im Lampenlicht. Ihre Schultern waren von der Decke verhüllt.
    »Schätze, du warst auf einer Armbandreise«, sagte sie.
    »Ja.«
    »Muss die Hölle gewesen sein.« Ihr rechter Arm tauchte unter der Decke auf. Die Decke hob sich und entblößte ihre Seite und eine Brust, als Sue Neals Gesicht streichelte. »Geht’s dir jetzt gut?«
    »Schon besser.«
    »Du hast ein paarmal laut geschrien. Und mir einen Höllenschreck eingejagt.«
    »Entschuldigung«, sagte Neal.
    »Du musst dich nicht entschuldigen.« Ihre Stimme war freundlich, der Ausdruck ihrer Augen sanft, und sie strich über seinen Kopf, als wollte sie einen ängstlichen Welpen

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