Der Gast: Roman
unter das Bett.
Kein Neal.
»Wo bist du?«
»Gleich hier, in dir, Leslie«, sagte Neal.
Rasputin suchte ihn.
Er stapfte durch alle Zimmer, schaltete mit gefletschten Zähnen und dem Messer in der Hand die Lampen an. Er sah in der Badewanne nach. Er sah in den Schränken nach. Er sah hinter Möbeln nach. Er sah hinter Türen nach. Er zitterte nicht mehr vor Aufregung. Er hatte keine Erektion mehr. Er spürte nicht nur den Schmerz seiner Schusswunden, sondern auch den der Enttäuschung.
Eine quälende Frustration.
»Wo zum Teufel steckst du? Wo bist du, du schleimiger beschissener Schwanzlutscher? Ich weiß, dass du hier bist!«
Er ist nicht hier.
Nein.
Dieser miese Wichser.
Wo steckt er?
Als er mit seiner hektischen Durchsuchung fertig war, drehte sich Rasputin mit dem Rücken zur Wohnungstür und ließ den Blick durchs Wohnzimmer schweifen.
Okay, okay, beruhige dich. Er ist nicht hier. Na und? Was soll die Eile? Er wohnt hier. Er wird zurückkommen.
Er war zwischendurch hier und hat Bier getrunken. Zwei Bier.
Rasputin betrachtete finster die beiden Dosen. Bei seinem letzten Besuch hatten sie noch nicht auf dem Tisch gestanden.
Ha! Sieh dir das an!
Sie standen nicht dicht beieinander, wie es gewesen wäre, wenn Neal erst die eine und dann die andere geleert hätte. Es lag ein halber Meter dazwischen, als stammten sie von zwei Leuten, die nebeneinandersaßen, auf den Tisch gestellt worden.
»Du hast mit einem Freund getrunken, was? Ein Bier für dich, ein Bier für ihn … oder sie?«
Rasputin schnüffelte, konnte aber kein Parfum riechen.
Ah, hoffentlich ist es eine Sie. Eine hübsche Sie. Ich liebe Sies. Besonders die hübschen.
So wie Elise.
Er stöhnte laut, während in seinem Kopf eine Erinnerung ablief … keine ganze Szene … nur ein Augenblick … ein Schnipsel … zwei oder drei Sekunden … Elise in der Badewanne, während …
Einen Moment lang war Neal sich nicht sicher, was er sah.
Dann schrie er: »NEIN!« , so laut, dass er dachte, seine Stimme müsste in Rasputins Kopf explodieren.
Nichts geschah.
»Wie kannst du jemandem so etwas antun?«, tobte Neal. »Wie kannst du auch nur an so etwas denken? Was für ein krankes Schwein bist du?«
Rasputin bekam erneut einen Ständer.
Das muss ich bei seinem Gast ausprobieren. Hoffentlich ist es eine Sie. Eine hübsche. Mal sehen, wie es ihr gefällt. Ich mach es vor Neals Augen, damit er es auch genießen kann.
Das könnte kompliziert werden. Wie werde ich mit zwei Leuten fertig?
Ganz einfach.
Ich schnapp sie mir nacheinander.
Zuerst seine Freundin. Das Bier-Mädchen.
Wenn sie das nächste Mal kommen, verfolge ich sie. Und finde heraus, wo sie sich verstecken …
Neal schluchzte in seinem Kopf und stieß hervor: »Du kriegst sie nie! Niemals! ICH TÖTE DICH!«
Rasputin überlegte, wie lange sie schon weg waren.
Er hob eine der Bierdosen hoch. Sie hinterließ einen feuchten Kreis auf dem Tisch. Wegen seiner Gummihandschuhe konnte er die Temperatur der Dose nicht einschätzen, deshalb drückte er sie sich an die Wange. Sie fühlte sich nicht mehr kühl an. Er schüttelte die Dose an seinem Ohr. Obwohl er keine Flüssigkeit darin schwappen hörte, setzte er die Dose an die Lippen und neigte sie.
Etwas lauwarmes abgestandenes Bier tropfte in seinen Mund.
Er schloss daraus, dass schon ein paar Stunden vergangen waren, seit Neal mit seinem Besuch dort gesessen und Bier getrunken hatte.
Am Abend?
Am späten Nachmittag?
Vielleicht kommen sie morgen zurück. Oh, wie ich das hoffe. Hoffentlich ist sie hübsch.
Es könnte auch ein Mann sein.
Auch gut, wenn er hübsch ist.
Morgen, wenn sie kommen …
Scheiße! Verdammt! Nicht morgen Nacht! Das Geld.
Warte. Ja. Klar, das geht. Ich muss nicht vor zwei dort sein.
Wenn ich früh genug hier bin …
Sie dürfen nicht merken, dass ich hier war. Ich will den kleinen Scheißern keine Angst einjagen, sonst laufen sie noch weg.
Rasputin stellte die Bierdose auf den feuchten Kreis zurück. Dann ging er durch alle Zimmer, stellte sicher, dass er keine Spuren hinterlassen hatte, und schaltete die Lampen aus.
Schließlich öffnete er die Wohnungstür. Er beugte sich hinaus, sah sich um, trat auf den Laubengang und zog leise die Tür hinter sich zu. Während er zur Treppe lief, streifte er die Handschuhe ab und steckte sie in die Hosentasche.
Auf dem Weg die Treppe hinab überlegte er, wo er sein Auto abgestellt hatte.
Er erinnerte sich.
Ja!, dachte Neal. Wir gehen zu seinem
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