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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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wandte ruckartig den Blick ab, jedoch nicht schnell genug. Im letzten Moment sah sie noch, dass die Gestalt einen verkrusteten unbehaarten Schädel hatte. Löcher, wo die Augen sein sollten. Einen Schraubenziehergriff statt einer Nase. Die Zähne riesig und weiß, weil dort keine Lippen mehr waren.
    Und in diesem Moment sah sie auch, dass dort niemand sonst war.
    Wo ist Glitt?
    Sie traute dem Spiegel nicht, wollte nicht glauben, was sie darin sah, und näherte sich der Wanne. Sie hielt ihren Blick auf den Boden gerichtet, um Vince nicht noch einmal ansehen zu müssen.
    Ein blutiges Handtuch auf den Fliesen neben der Wanne.
    Am Boden der Wanne Vinces nackte Füße. Einige fleischige Stücke von ihm und sehr viel Blut.
    Doch keine anderen Füße.
    Glitt war nicht in der Wanne.
    Sue merkte, wie ihr Blick unwillkürlich zu Vince wanderte, an seinen roten Knöcheln und Schienbeinen emporkletterte.
    Nein! Sieh nicht hin! Du musst Glitt finden. Wer weiß, wo das dreckige Schwein …
    Sie wandte sich von Vinces Überresten ab, glitt durch die Wand über der Toilette und fand sich in der dunklen Garage wieder. Dort drehte sie um und tauchte erneut durch die Wand. Sie landete wieder im Schlafzimmer.
    Glitt war nicht dort.
    Sie schwebte durch die Tür. Der Korridor vor ihr war lang und dunkel.
    Keine Spur von Glitt.
    Er muss irgendwo da hinten sein. Aber warum hat er aufgehört, Vince zu quälen?
    Als Sue aus Vince geflohen war, hatte sie damit gerechnet, dass Glitt ihn mindestens noch eine halbe Stunde bearbeitete. Vielleicht sogar ein oder zwei Stunden.
    Er hat sich gut amüsiert. Warum hat er aufgehört?
    Hoffentlich weiß er nicht, dass wir hier sind.
    Vielleicht ist Vince ihm einfach weggestorben. Das hätte Glitt den Spaß verdorben.
    Vielleicht, vielleicht auch nicht.
    Sie machte einen kurzen Abstecher ins Gästebad, dann folgte sie weiter dem Korridor zum Gesellschaftszimmer.
    Vince ist nicht versehentlich gestorben. Glitt hat ihn erledigt, indem er ihm den Schraubenzieher in die Nase gestoßen hat.
    Wieso? Warum hat er das getan, wenn er sich doch so prima amüsiert hat?
    Er weiß, dass wir hier sind.
    Nein. Woher denn?
    Egal. Finde ihn einfach.
    Im grauen Mondlicht sah Sue im Gesellschaftszimmer den Revolver auf dem Teppich liegen, dort, wo Vince ihn fallen gelassen hatte.
    Aber kein Glitt.
    Sie überlegte, ob er sich hinter der Theke versteckte, so wie Vince es getan hatte.
    Das passt nicht zu Glitt.
    Sie verschwendete keine Zeit darauf, nachzusehen. Stattdessen kehrte sie in den Flur zurück und schwebte ins Wohnzimmer. Es war etwas dunkler als das Gesellschaftszimmer. Die Möbel verschmolzen in der Finsternis zu schwarzen Blöcken.
    Glitt konnte sie nirgendwo sehen.
    Marta schien sich keinen Schritt von ihrer Position hinter der Glastür wegbewegt zu haben. Sie war eine schwarze Silhouette, die sich gegen die hellen, vom Mond beschienenen Gardinen abhob.
    Wenn er nicht in der Küche ist, sollte ich nach seinem Auto sehen. Ich kann ihn nicht …
    Martas rechter Arm löste sich von ihrer Seite.
    Ihre Pistole sah aus wie ein Messer.
    Das ist irgendwie …
    Marta hob die Hand und schob mit der Messerspitze die Gardinen auseinander.
    Was?
    Das ist nicht Marta!
    Sue raste durch das Wohnzimmer von hinten auf die dunkle Gestalt zu und fuhr in Glitts Rücken, als er über die Türschwelle nach draußen schlich.
    Marta war schon fast in seiner Reichweite. Noch zwei oder drei Schritte …
    »Dreh dich um!« , rief Sue ihr zu.
    Aber sie hörte die Warnung nur in ihrem eigenen Geist.
    Die Finger an Glitts rechter Hand schmerzten, so fest hielt er das Messer umklammert.
    »Marta! Er ist genau hinter dir! Dreh dich um! Erschieß ihn!«
    Glitt war außer Atem, sein Herz schlug schnell, die Haut war glitschig vor Schweiß, der Penis drückte steif gegen die Lederhose.
    In seinem Kopf wirbelten die Gedanken umher.
    Oh, das ist meine Nacht, o ja. Wer immer sie ist, sie gehört mir. Ganz mir. Soll ich ihr in den Rücken stechen? Ja, ja. Das nimmt ihr die Kraft. Erst ein kurzer Stich in den Rücken, dann dreh ich sie um und widme mich den schönen Stellen.
    Hoffentlich ist sie nicht hässlich wie die Nacht.
    »MARTA!«

11
    11
    Marta wartete mit dem Rücken zur Tür, den Blick auf Sues Körper gerichtet.
    Das kann nicht gerade bequem sein, so auf dem Beton zu liegen.
    Komm schon, Sue. Komm zurück. Warum dauert das so lange?
    War etwas schiefgegangen?
    Vielleicht hatte sie Glitt einen Besuch abgestattet und Neal getroffen.
    Gott,

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