Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
Vom Netzwerk:
die Schmerzen spüren, die er hatte. Und eine Weile hat es mir irgendwie gefallen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie er gequält wurde. Und er hat es verdient. Aber dann hab ich es nicht mehr ausgehalten.«
    »Ich konnte sehen, dass du gelitten hast.«
    »Schon bei dem Gedanken daran wird mir schlecht …« Sie schüttelte den Kopf. »Glitt wird mit uns auch solche Sachen machen.« Sie sah Marta an. »Wenn er uns in die Finger kriegen tut, werden wir uns wünschen, nie geboren worden zu sein. Das ist mein Ernst.«
    Marta bremste ab und bog in die Greenhaven Lane.
    Fast da.
    »Unsere Pistole ist geladen«, sagte sie.
    »Vince hatte auch eine Waffe. Aber er hat nur einen Schuss abgegeben, der Glitt bloß am Bein gestreift hat. Das war’s dann. Danach war Vince so gut wie tot.«
    »Ist er jetzt tot?«
    »Nein. Oder gerade eben jedenfalls nicht. Er hat sich die Seele aus dem Leib geschrien, als ich abgehauen bin. Glitt wird ihn aber nicht so bald erledigen. Er hat zu viel Spaß daran, mit ihm zu spielen.« Mit beiden Händen zog sie die Ecken ihres Rocks zusammen. »Verdammter Perverser«, murmelte sie.
    Die Scheinwerfer beleuchteten das Heck eines weißen Subaru, der vor ihnen am Straßenrand parkte. Martas Magen zog sich zusammen.
    Sie hielt hinter dem Subaru.
    Sie schaltete das Licht und den Motor aus. Dann sah sie Sue an. »Sie sind also beide im Bad?«
    »Ja. Jedenfalls waren sie da vor ein paar Minuten noch. Und Vince geht nirgendwohin. Er ist in der Wanne festgebunden. Glitt hat auch drin gestanden und sich prächtig amüsiert. Er ist bestimmt noch da.«
    »Bereit?«
    »Dazu werde ich nie bereit sein.«
    »Wir können nicht einfach wegfahren«, sagte Marta.
    »Ich weiß.«
    »Sonst werden wir nie Ruhe finden.«
    »Ich weiß.«
    Marta schob das Schlüsselmäppchen in die Hosentasche und zog die Pistole zwischen ihren Schenkeln hervor. »Gehen wir«, sagte sie und öffnete die Tür.
    Sie trafen sich vor dem Jeep.
    »Wo ist Glitt reingegangen?«, fragte Marta.
    »Ich weiß es nicht.«
    Sie gingen zu dem kleinen Eingangstor.
    »Hat er eine Pistole?«
    »Ich glaub nicht. Vince hatte einen Revolver, aber der ist, glaub ich, noch im Gesellschaftszimmer. Glitt hat ein Messer. Und … und eine Zange. Damit hat er Vinces Augenlider gepackt und …« Sie verzog das Gesicht. »Ich kann gar nicht daran denken. Er hat auch einen Schraubenzieher. Und ein Feuerzeug. Damit hat er den Schraubenzieher heiß gemacht …«
    Marta ging durch das Tor voran.
    »Er wird uns mit den Sachen bearbeiten, wenn wir ihn nicht töten.«
    »Wir werden ihn töten«, sagte Marta.
    »Hoffentlich. Aber, hör zu, ich will nicht lebendig geschnappt werden. Nicht von ihm. Deshalb musst du versprechen, mich zu erschießen. Erschieß mich und spar eine Kugel für dich selbst auf.«
    Marta rümpfte die Nase. Ihr lag eine Bemerkung auf der Zunge, dass das wie in einem schlechten Film klinge – doch sie wusste, Sue meinte es ernst.
    Sie war dort drin gewesen.
    Marta hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen.
    »Niemand wird erschossen – außer Glitt«, murmelte sie.
    »Mit Kugeln kann man ihn nicht erledigen.«
    »Doch, natürlich. Man muss ihn nur an der richtigen Stelle treffen.«
    »Ich weiß nicht.«
    Sie sprachen leiser, als sie sich der Haustür näherten. Marta drehte den Knauf.
    Abgeschlossen.
    Sie wandten sich um und gingen durch den Vorgarten. Marta fand das weiche Gras angenehm unter ihren Füßen. Es war nass, und ihre Socken saugten sich schnell voll.
    Das Fenster an der Vorderseite schien geschlossen und unbeschädigt zu sein.
    »Wie kommen wir rein?«, flüsterte Marta.
    »Vielleicht hintenrum«, sagte Sue.
    Sie gingen um die Hausecke und durch den kleinen Obsthain. Ihre Füße bewegten sich lautlos durch das Gras, aber Marta hörte Sues schnellen Atem. Und ihren eigenen.
    Obwohl die Nacht ziemlich kühl war, spürte Marta Schweißtropfen über ihre Haut rinnen. Der Pistolengriff lag glitschig in ihrer Hand.
    Als sie die Rückseite erreichten, blieben sie stehen, beugten sich vor und spähten um die Hausecke. Das Wasser im Pool wirkte schwarz bis auf ein paar silbrige Flecken Mondlicht. Niemand schwamm. Die Sprungbretter am anderen Ende waren leer. Der Beton um das Becken war grau wie ein schmutziges Schneefeld. Niemand saß an dem Tisch.
    Marta sah überhaupt niemanden in der Nähe.
    Sie trat auf den Beton. Nach dem weichen Gras tat der harte Boden ihren Füßen weh. Es fühlte sich an, als würde jeder einzelne Schnitt

Weitere Kostenlose Bücher